Ähnlich wie Tee ist Mate mit Kulturgeschichte, Kolonialismus und Traditionen eines fernen Kontinents beladen. In fast jedem Land Südamerikas ist Mate das meistgetrunkene Getränk neben Wasser. Früher wurde es meist aus einem entkernten Kürbis (Kalebasse) mithilfe einer Art Strohhalm (Bombilla) getrunken. Mittlerweile wird es aber in allen Formen und Gefäßen heiß und kalt getrunken.
Entgegen der europäischen Ansicht, dass Jesuiten den Bewohnern des Kontinents das alkoholfreie Gottesgeschenk gaben, um sie vom Alkohol zu befreien, tranken unzählige Ethnien Südamerikas schon vor der Ankunft der kolonialen Eroberer Mate. Zuerst hatten Jesuiten dieses Teufelsgetränk den Einheimischen weggenommen, nur um dann zuerkennen, dass die nun versklavten Indios wesentlich produktiver arbeiteten wenn sie Mate tranken. Durch Jesuiten erreichte Mate auch andere Kontinente, da der Orden global in die Ausbeutung für den europäischen Kapitalismus involviert war.
Bezeichnet man es als Yerba Mate führt man die koloniale Tradition fort. Yerba bedeutet auf Spanisch Gras und so würde man Mategras sagen, Mate sind aber die Blätter eines Baumes. Der Ilex paraguariensis wuchs ursprünglich am atlantischen Urwald des Kontinents – dieser ist aber nahezu abgeholzt. Der Matebaum wurde auch durch das Kolonialregime in ganz Südamerika verbreitet. Heute genießt er Hochachtung in Südamerika, da er über Grenzen hinweg dem Kontinent etwas Vereinendes gibt. Die Pluralität der Menschen und ihrer Kulturen kommt durch die verschiedenen Arten es zu konsumieren und zelebrieren zum Ausdruck. So ist es in Brasilien, etwas ähnlich einigen Varias der japanischen Teezeremonie, das Trinkgefäß in der Gruppe herumzureichen. Dies zeigt eine besondere Wertschätzung. Viele Firmen versuchen Mate mit modischen Gefäßen und Zutaten bei der Jugend als Modegetränk zu etablieren und Verkaufszahlen deuten auch darauf hin, dass es Mate nicht nur getrunken wird, weil das es halt Tradition ist, sondern weil man sich grade wegen seiner gesundheitlichen Vorteile und der leicht veränderten Konsumformen damit modern und gesund fühlen kann.
Kategorie: Teegeschichte
Lapsang Souchong ist nicht immer „Rauch-Tee“
Ein Lapsang Souchong Tee ist nicht immer ein geräucherter Tee. Häufig wird angenommen das Lapsang Souchong einfach „Rauch-Tee“ heißt. Lapsang Souchong ist eine fehlerhafte englische phonetische Übersetzung des chinesischen „Zhengshan Xiaozhong“. Dies heißt korrekterweise „kleine Blätter von Zhengshan“. Zhengshan ist der Name der Teepflanze in der Region um das Dorf Tong Mu (Fujian). Somit ist Lapsang Souchoung übersetzt einfach nur ein Tee von kleinen Blättern aus Tong Mu und Umgebung.
Lapsang Souchong ist nach bisherigem Wissensstand der erste chinesische Schwarztee der kommerziell mit Europa gehandelt wurde. Entstanden ist er aber durch einen historischen Vorfall: In China ist es so überliefert, dass die Bewohner von Tong Mu ihr Dorf vor einer feindlichen Armee während der Tee-Ernte verlassen mussten. Der grüne Tee war nun – nachdem die Menschen wieder in ihr Dorf zurückkehrten – dunkel geworden, also oxidiert, und roch alles andere als köstlich. Also wurden die Blätter über gut duftendes brennendes Pinienholz geräuchert. Somit gab es wirklich für lange Zeit nur geräucherten Schwarztee aus Xiaozhong. Aber in den letzten 20 Jahren produzierten die Teebauern dort auch viele nicht geräucherte Tees, die natürlich weiterhin von den kleinen Blättern der „Zhengshan“ Teepflanze kommen und somit korrekterweise auch „Lapsang Souchong“ heißen.
East-India-Company (EIC)
Da 1494 (Tordesillas-Vertrag) Amerika den Spaniern zugeschlagen worden war, durfte Portugal „Indien“ plündern. Diese Aufteilung hielt mehr oder weniger 100 Jahre an. Engländer gründeten 1600 die EIC und Holländer 1602 die VOC, um vom Kolonialwarenhandel profitieren zu können. Jetzt ging es nur noch darum möglichst hohe Gewinne für die Investoren zu erzielen. Der christlich-katholische Missionsgedanke, mit dem Spanier und Portugiesen die Welt eroberten, spielte keine Rolle mehr. Allgemein gilt für die Historie des Kolonialhandels, dass im 15. und 16. Jahrhundert Pfeffer und andere Gewürze dominierten, das 17. Jahrhundert das Jahrhundert der Stoffe war und dass das 18. Jahrhundert dem Tee gehörte. Am Ende des 18. Jahrhunderts importierten Europäer rund 50.000 Tonnen Güter jährlich aus Asien, die sie dort gegen Silber- und Goldbarren eintauschten, die sie anfangs aus Lateinamerika erhielten. Dort schufteten Indios als Zwangsarbeiter in den Minen und starben zu Tausenden.
Zurück zur EIC. Sie wurde 1600 von Händlern in London gegründet, um mit den Gewürzinseln im indischen Ozean zu handeln (East-Indies). 1608 fuhr das erste Schiff gen Asien und erreichte das indische Surrat. Sieben Jahre später gab es das erste Treffen mit dem indischen Mogul und er erteilte der EIC die Erlaubnis zur Errichtung einer Handelsstation. Da die Holländer im Gebiet des heutigen Indonesiens zu stark waren, wandte sich die EIC von ihrem eigentlich Ziel – dem Gewürzhandel ab – und suchte sich eine Region an der die VOC kaum Interesse hatte: Indien. Gut 100 Jahre nach dem ersten Treffen mit dem Mogul setzte die EIC 1717 gewaltsam durch, dass sie keine Steuern mehr in Indien zahlen musste. Sie begann nun, nicht mehr nur Handelsstationen an der Küste zu gründen, sondern große Teile Indiens, die nun zum privaten Besitz der EIC-Aktionäre wurden, zu erobern.
Nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) versuchte die EIC in Nordamerika Fuß zu fassen. Die Franzosen waren geschlagen und durch den EIC-Handel sollten in London die Kriegsschulden abgebaut werden. Hierfür setzte man u.a. eine Teesteuer auf. Diese führte in den zukünftigen USA zusammen mit der Nicht-Repräsentation der amerikanischen Kolonien im Londoner Parlament zu immer größerem Missmut, der letztlich in der Unabhängigkeit endete. Damit war der Amerikahandel für die EIC beendet. Man wandte sich nun wieder Asien zu. Von 1600 bis ins 19. Jahrhundert hinein war die EIC für England der Monopolist im Asienhandel. 1813 wurde der EIC jedoch das Monopol für den Indienhandel genommen. Ab sofort durfte jeder englische Händler Geschäfte in/mit Indien tätigen. Ihren Status als Verwalter von Indien behielt der EIC jedoch und baute diesen weiter aus.
Neben der sich langsam entwickelnden Kolonialherrschaft in Indien war China als alleiniger Lieferant des Tees immens wichtig. 1669 kaufte die EIC das erste Mal selbst in China im Hafen Amoy/Xiamen Tee ein steigerte den Import nach England jährlich. Am Vorabend der Opiumkriege wurden rund 35.000 Tonnen Tee aus China nach England per anno importiert. Diesen bezahlte man rund 100 Jahre mit Silber aus Lateinamerika, dann mit bengalischem Silber. Schließlich kam man auf die Idee mit Opium zu zahlen.
Immer wieder gab es in London Versuche der EIC auch den Chinahandel und damit den Teehandel zu entreißen. In allen Regionen der europäischen Welt war es billiger Tee zu kaufen als in London. Die teuren Preise der EIC verhinderten also quasi, dass das englische Lebensrecht auf Teetrinken ausgebaut werden konnte – so die damalige Sichtweise. Der Druck der anderen Händler war so groß, dass man 1834 der EIC (nach dem Indienmonopol 1813) auch das Chinamonopol nahm. Nun konnte jeder Händler von der EIC Opium in Indien kaufen und dies in China gegen Tee tauschen. Fast 100 Prozent des Tees, den wir Europäer zu dem Zeitpunkt tranken, kam aus China. Die Chinesen konnten sich erst nicht gegen die Opiumdroge wehren. Besonders die Korruption vor Ort verhinderte, dass die Zentralregierung ihren Willen in Kanton durchsetzen konnte. Der hohe Beamte Lin schaffte es dann zwar 1839 das Opium vor Ort zu vernichten, verärgerte die Engländer damit aber noch weiter. England sah in den 300 Millionen Chinesen einen riesigen Absatzmarkt. Dazu fühlte man sich seit Jahrzehnten von China respektlos behandelt. Die Vernichtung des Opiums 1839 war dann der Anlass mit einer Flotte und Soldaten vor Ort die Öffnung mehrerer Häfen durchzusetzen, Hong Kong zu übernehmen und den Opiumhandel zu legalisieren (1839-1842). Gut 10 Jahre später verschaffte man dem Drogenhandel durch den zweiten Opiumkrieg (1856-1860) nochmals Nachdruck. Hong Kong war die Zentrale des Drogenumschlags und wurde dank der riesigen Gewinne zu einer der reichsten Städte der Welt. Erst mit dem Ersten Weltkrieg endete der Opiumhandel der Engländer in China. Er gilt heutzutage als das größte wirtschaftliche Verbrechen eines Staates neben dem Sklavenhandel – den England ja auch von Spanien übernommen hatte.
Während in China die Opiumkriege und der dadurch verursachte Taiping-Aufstand (mit rund 30 Mio. Toten) wütete, hatte sich die EIC fast ganz Indien (heute Indien, Pakistan, Bangladesch) als Firmeneigentum angeeignet. Die Privatarmee bestand aus gut 200.000 Söldnern. Die EIC spielte die religiösen und ethnischen Unterschiede der Bevölkerungsgruppen jedoch immer ungeschickter gegeneinander aus. Durch die Kriegszüge und die Politik der Ausbeutung starben mindestens 30 % der lokalen Bevölkerung. Ferner basierte die Arbeitskraft der EIC auf Zwangs- und Sklavenarbeit. Für sie waren Inder und Indien Besitz ihrer Firma und keine gleichberechtigen Menschen. Somit war es egal wie hoch die Steuern waren oder ob das „Humankapital“ ausreichend Nahrung hatte. Mit dem Aufstand der Sapoy-Söldner 1857 und seiner brutalen Niederschlagung begann das Ende der EIC-Herrschaft in Indien. Londoner Politiker empörten sich gekonnt über den Massenmord an den Sapoy und benutzen ihn, um der EIC nach und nach Indien zu entreißen und die Besitztümer der Firma zu verstaatlichen. Für die Menschen in Indien spielte es natürlich kaum eine Rolle, ob eine britische Firma oder der Staat selbst sie ausbeutete. Englische Politiker ärgere es einfach, dass die 3.500 EIC-Aktionäre von der Ausbeutung Indiens profitierten, nicht aber der englische Staat. Die Aktionäre erhielten jedes Jahr rund 10 % Rendite. In späteren Jahren, wo die EIC „nur“ noch Verwalter Indiens und nicht mehr Händler war, musste man hierfür Schulden aufnehmen. Folgende Spirale begann sich nun immer schneller zudrehen: Je mehr der Kostendruck stieg, desto höher waren die Steuern und Repressionen in Indien, desto verärgerte waren die Inder, desto mehr Revolten starten sie, desto mehr Soldaten zum Niederschlagen der Rebellen musste die EIC besolden, was wiederum den Kostendruck erhöhte. 1858 musste die EIC der Queen letztlich Indien schenken und die hohen Schulden der Kompanie wurden auf die indischen Steuerzahler umgewälzt. Die 3.500 EIC- Aktionäre erhielten 100 % mehr Geld als ihr Aktienanteil eigentlich wert war – als Dank für 200 Jahre „Arbeit im Namen der englischen Krone“. Die EIC verlor nun in London massiv an Rückhalt und wurde letztlich 1874 aufgelöst.
Zwischen dem Sapoy-Aufstand und dem Ende der EIC gelang es ihr jedoch federführend die Teeproduktion in Indien aufzubauen. Da China nun als unsicherer Handelspartner galt, nach dem man das Land ja selbst durch die Kriege in den Ruin getrieben hatte, experimentiere man in Assam und Darjeeling in immer größeren Gärten mit Tee. Darjeeling blieb auch am Ende des 19. Jahrhunderts eine kleine Anbauregion, während in Assam der Urwald (mind. 300.000 ha) gerodet wurde und riesige Teeplantagen (je zehntausende Arbeiter) entstanden. Die Arbeiter waren Sklaven- und Zwangsarbeiter aus ganz Indien. Da man nun in Assam viele Religionen und Ethnien mischte führte dies immer wieder (auch heute noch) zu kleinen und großen Aufständen. Da die Bedingungen in Assam in den ersten Jahren katastrophal waren, starben rund 30 % (also mehr als 10.000) Zwangsarbeiter vor dem Ende der EIC 1874.
Darjeeling: Tee und seine Geschichte
Zu Beginn der Herrschaft von Queen Victoria (1837-1901) wurden etwa 20.000 Tonnen Tee importiert, nichts hiervon kam aus dem englischen Kolonialreich – alles kam aus China und musste mit Silber bezahlt werden (Opiumkriege). Da aber die VOC die EIC vom Gewürzmarkt/Gewürzinseln vertrieb, musste sich die EIC nach Indien zurückziehen und versuchte parallel der VOC im Chinahandel ein Konkurrent zu sein. Aus den wenigen britischen Handelsposten an der indischen Küste wurde nach einem Angriff auf die EIC Stadt Bombay 1756 immer mehr eine Territorialherrschaft. Die EIC vergrößerte ihre Armee innerhalb von 50 Jahren um das 1000x auf etwa 154.000 Soldaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Aus dieser anfänglichen Defensive (Verteidigung von Bombay) wurde eine den Kontinent erobernde Armee die mit wechselnden Bündnissen der lokalen Herrscher letztlich fast ganz Indien kontrollierte.
Die erste Kiste Tee kaufte die EIC übrigens 1664 in Batavia der VOC ab. 1669 kaufte sie 150 Pfund direkt für die Frau des Königs Charles II. – Katharina von Braganza – ein. Erst 1689 gelang es der EIC direkt in China einzukaufen. Innerhalb einer Generation stieg der Import von einigen hundert Pfund auf eine Million Pfund (1720) an. 1766 waren es schon 6 Mio. Pfund. Man geht davon aus, dass die offizielle Menge der EIC immer auch noch einmal zusätzlich als illegale Schmuggelware durch holländische oder skandinavische Händler ins Land kam. Tee war im 18. Jahrhundert sowohl von der reinen Importmenge als auch der Gewinnspanne das wichtigste Produkt der EIC.
1833/34 verlor die EIC dann aber das Handelsmonopol mit China. Dies war der Startschuss für den Teeanbau in Indien, das ja bis 1858 fast eine Art privater Besitz der EIC war. Die EIC versuchte also das verlorene Monopol im Chinahandel durch ein indisches Teemonopol zu ersetzen. Das indische Handelsmonopol hatte die EIC übrigens schon 1813 verloren. Man wollte nun den Teeanbau und damit die Preise komplett kontrollieren. Um zu prüfen, wo man Tee anbauen könnte, gab es in jeder indischen Region botanische Gärten. Hier ging es nicht darum seltene Pflanzen zu sammeln, sondern Pflanzen so zu erforschen, dass sie einen möglichst großen wirtschaftlichen Profit abwerfen.
Als die Teepflanzen aus Assam, die die Gebrüder Bruce in den 1820er Jahren gesammelt hatten in den botanischen Gärten der EIC ankamen, hatte man noch kein Interesse daran gehabt, diese als echt zu identifizieren, da die EIC ja noch das Monopol im Chinahandel hatte. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Existenz von indischen Tee weniger Profit im Chinahandel bedeutet. Nur Monate nach dem Verlust des China-Monopols erinnerte man sich an diese Tees aus Assam und erkundete es genauer. Man fand heraus, dass die Pflanze in Assam den gleichen Ursprung hatte wie die Pflanzen in China. Da die Pflanzen in Assam aber tausende Jahre in einem anderen Klima wuchsen als die chinesischen, sahen sie anders aus. Sie waren also eine Variante der chinesischen Ursprungspflanze.
Manche in der EIC dachten, dass man schnell aus den unkultivierten „Assampflanzen“ trinkbaren Tee erhielt, andere dachten, dass dies nur mit den „Chinapflanzen“ geht. Die gesamten 1830er und größtenteils 1840er Jahre testete man verschiedene Anbaugebiete und Methoden. Schließlich kam man auf die Idee die Pflanzen zu kreuzen und eigene Züchtungen zu entwickeln.
In Assam erwartete die Teepioniere aus England feindliche Völker (wer gibt sein Land schon gerne an Kolonialherren ab), ein tropisches Klima mit einer Vielzahl von möglichen Krankheiten sowie Schlangen, Tiger und Leoparden. Aber niemand konnte letztlich die Engländer dabei stoppen Land und Leute zu vernichten und in Teegebiete zu transformieren.
So sendete man 1839 die erste Ladung Tee aus Assam nach London. ¾ kamen gar nicht erst in den Verkauf, da sie schlecht geworden waren. In London lagerte der Tee noch Monate im Lagerhaus der EIC, da erst noch alter Tee verkauft werden sollte und man noch einige Monate die Antizipation steigern wollte. Das machte den Tee zwar nicht besser, aber bei der Auktion wurden tatsächlich hohe Preise erzielt, da es der erste „englische“ Tee war.
Es dauerte aber noch bis zum Jahr 1888 bis es mehr indischen als chinesischen Tee in England gab.
ABER: Alle Tees aus Assam waren weder fein noch mild – etwas das man fast ein Jahrhundert lang bei den chinesischen Tees zu schätzen gelernt hatte. Also sendete man Teejäger wie Robert Fortune aus um Pflanzen aus China zu bekommen und sie in einem Hochland anzubauen. Hier kommt Darjeeling ins Spiel. Die 20.000 Pflanzen die Robert Fortune dann Mitte der 1850er Jahre aus China nach Indien sendete, endeten zum großen Teil in Darjeeling und dienten dazu die Produktion von feinen indischen Tees zu ermöglichen.
Um 1800 gab es immer intensivere Scharmützel zwischen Nepal, Bhutan und Sikkim. Engländer führten als südlich gelegene Kolonialherren einen Krieg gegen diese nördlichen Könige und errichteten das Gebiet Darjeeling als eine kleine Pufferzone, damit die Königreiche keinen Kontakt miteinander mehr haben und so auf die Idee kommen könnten, sich gegen England zu verbünden. Hierbei entdecken nun die ersten Europäer die Region Darjeeling und waren gleich von dem angenehmen Klima und der idyllischen Natur angetan. Sofort kam die Idee auf, die Region in ein Sanatorium für die EIC Angestellten und Offiziere zu verwandeln. Offiziell ging ein Teil des heutigen Darjeelings 1835 in den Besitz der EIC über. Man tauschte es beim König von Sikkim gegen 1 Gewehr, 1 Schrotflinte, etwas Seide und Stoffe. Neben 20-30 Häusern gab es dort nur ein kleines Volk von Nomandenhirten – die Briten sorgten dafür dass diese das Besitzrecht der EIC anerkannten.
Da es noch keinen Eisenbahnanschluss gab, machten nur wenige Europäer die anstrengende Reise nach Darjeeling. Hierzu gehörte 1839 Archibald Campbell, der die Aufgabe übertragen bekam, dort ein Sanatorium und eine Siedlung zu errichten. Hill Stations – also Bergstationen – wurden von der EIC und später der britischen Regierung überall verstreut in den indischen Höhenlagen gebaut. Während der sehr heißen Monate sollten sich hier die Offiziere und Angestellte erholen. Der indischen Hitze passten sich die Europäer nicht an. Man aß und kleidete sich wie im kalten England. Viele konnten diese Strapazen nicht bestehen und starben. In den 300 Jahren der britischen Herrschaft in Indien starben etwa 2 Mio. Briten.
Im ersten Jahrzehnt forderte Campbell aus Nepal zehntausende Gorkhas an, sodass die Bevölkerung rasch von unter 100 auf über 10.000 stieg. In Darjeeling heiratete Campbell eine 15 Jahre jüngere Frau und hatte mit ihr 12 Kinder. Er war von Haus aus Arzt und hatte während des Militärdienstes im Norden Indiens Interesse für das Himalayagebiet entwickelt. Als erste Pflanze führte er Chinarindenbäume ein um Geld aus der Produktion für Chinin (tonisches Wasser gegen Malaria) zu gewinnen. 1849 unternahm er eine Expedition nach Sikkim. Die Expeditionsteilnehmer wurden aber verhaftet und erst nach sechs Wochen wieder freigelassen. Sie hatten mit dem Grenzübertritt gegen eine Vereinbarung mit Sikkim verstoßen. Die Inhaftierung nahmen nun wiederum die Briten als Vorwand um den südlichen Teil von Sikkim, das fruchtbare Land, zu annektieren. Sikkim war nun nur noch ein Hinterland im Hochgebirge. 1863-65 kämpften Briten mit Bhutan und nahm dort auch noch etwas fruchtbares Land in Besitz, sodass Darjeeling genau 1,234 meilen² (=320.000 ha) umfasste.
Anfang der 1840er Jahre hatte Campbell privat knapp 2.000 Teepflanzen in seinem Garten und stellte fest, dass diese prächtig gedeihen. Die ganzen 1840er und 1850er Jahren waren nun tausende nepalesische Zwangsarbeiter damit beschäftigt den unberührten Urwald zu roden und Teepflanzen in Reihen auszupflanzen. Zu den ersten Generationen der Teepflanzer gehörten aus England oft Männer die im Mutterland selbst keine ehrbare Anstellung gefunden haben oder von der Familie ins koloniale Exil entsendet wurden. Diese Männer hatten nicht die geringste Ahnung von Tee oder Indien. Es dauerte also einige Jahrzehnte bis man wusste, wie man viel und guten Tee produzieren konnte. Ende der 1830er Jahre reiste eine Gruppe deutscher Missionare in die Tukvar Mission im nördlichen Darjeeling. Da sie keine Missionserfolge hatten, entzog die Kirche ihnen die finanzielle Hilfe und so konnten sie nicht zurückreisen. Sie arbeiteten auf verschiedenen Teefeldern und gründete 1852 sogar die erste noch heute existierende Plantage Steinthal. Die Nachkommen heirateten untereinander und die Wernicke-Stölke Familie war bis zum Zweiten Weltkrieg in Darjeeling aktiv.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg notierte die Tageszeitung in Darjeeling, dass es bisher gelungen sei, alle Gärten fest in europäischer Hand zu halten. Hierbei wurde aber bewusst übersehen, dass Makaibari damals bereits seit 20 Jahren in indischer Hand war. Gegründet von einem EIC Deserteur (Cpt. Samler) und seinen Sepoys wurde hier erst Mais angebaut. Daher der Name Kornfeld (= Makaibari). Da Samler in der Nähe von Campbell wohnte klaute er ihm einige Pflanzen und begann so seine Teeplantage. Samler freundete sich mit dem reichsten Inder in Darjeeling an: Girish Chandra Banerjee. Dieser stammte aus einer reichen bengalischen Familie, flüchtete aber vermutlich vor einer arrangierten Ehe nach Darjeeling und wurde Monopolist im Pferdetransportwesen. Als Samler starb übertrug er seinen Makaibari-Garten an Barnerjee. Die erste Verarbeitungsfabrik in Darjeeling wurde übrigens dem Garten Makaibari angegliedert und 1859 eröffnet. So wirklich begann die Darjeeling Teeindustrie mit dem Jahr 1881. Hier wurde die Eisenbahn eröffnet und nun konnte schwere Maschinen für die Fabriken ins Gebirge gebracht werden. Bis zum Bau der Eisenbahn dauerte die Reise von Kalkutta in den Norden viele Monate.
Indien erhielt am 15.08.1947 seine Unabhängigkeit. Jetzt verkauften fast alle Europäer ihre Plantagen an Inder – diese hatten aber kaum Bezug zum Tee, während die „alten“ Europäer ja den Tee in Indien großgezogen hatten (mithilfe von 100.000en Zwangsarbeitern). Für die europäischen Kolonialherren war Tee eine Lebensart – für die neuen Inhaber nur noch eine gewinnbringende Firma. Früher haben die Kolonialherren die Plantagen nach einem 40-40-20 Schema angelegt: 40 % Teeanbau, 40 % andere Pflanzen und 20 % für Arbeiter und Fabrik. Die 40 % „Wildnis“ wurden nun drastisch reduziert und damit die Stabilität des Ökosystems. Ab 1955 wurde in der Teeindustrie Chemikalien eingesetzt. Hiermit konnte in Darjeeling die Produktion von 7 auf 10 Mio. Tonnen erhöht werden.
Noch gut 20 Jahre nach der Unabhängigkeit gab es englische Teehandelsfirmen in Indien. Aber mit einem neuen Gesetz, dass eine indische Beteiligung an den Firmen vorsah, wechselten fast alle englischen Firmen 1973 das Interessengebiet auf Kenia und die dortigen post-kolonialen englischen Gebiete. Innerhalb eines Jahres sank der Export nach UK um die Hälfte auf nur noch 75.000 Tonnen. Heutzutage sind es übrigens nur noch knapp 15.000 Tonnen. Größter Ersatzmarkt wurde die UdSSR. Nachdem Zusammenbruch der UdSSR übernahmen arabische Staaten die Spitzenposition im Exportranking. Hierbei war Darjeeling wenig von Bedeutung. In den 1990er Jahren versuchte Darjeeling immer mehr in Richtung Bio-Landwirtschaft zu gehen, da dies im Absatzmarkt Europa wachsende Bedeutung gewann. Indischer Tee wird generell auch gerne vom Iran getrunken und mit Öl bezahlt.
Geschmack beginnt in der Erde. Von hier holen sich die Pflanzen ihre Nährstoffe die wir dann auch im verarbeiteten Blatt schmecken. In der post-kolonial Zeit hat auch Darjeeling viel Chemie eingesetzt und viel Wald gerodet. Seit gut 10 Jahren bemüht man sich nun wieder die traditionellen Anbautechniken anzuwenden und mehr „Wald“ also Gebiete die nicht aus Teepflanzen bestehen aufzuforsten.
Mittlerweile produzieren etwa 2/3 der Gärten in Darjeeling ihren Tee biologisch. Einigen fiel dies sehr leicht, denn in den 1980er und 1990er Jahren lagen sie brach und wurden erst um das Jahr 2000 als „bio“ Mode wurde reaktiviert. Da sie jahrelang nicht bewirtschaftet und damit gespritzt wurden, waren sie „organic by default“. Pionier im Bio-Anbau ist der Makaibari-Garten, dessen Besitzer Banerjee in den 1980er bereits von „bio“ überzeugt war. Erst wurde er von Käufern und Pflanzer ausgelacht, mittlerweile wird es ihm erlaubt sich als den „Bio-König“ von Darjeeling darzustellen.
Die Bio-Plantagen produzieren etwa 25 % weniger als die Chemie-Plantagen. Aufgrund der geringeren Produktivität, müssen Bio-Tees teurer sein, damit die Plantage überleben kann. Gelingt es nicht Käufer für Bio-Tee zu finden, geht man Bankrott. So musste die Namring Plantage nach zehn Jahren Bioproduktion 2004 wieder auf Chemie umstellen und verkauft nun wieder Massen an konventionellen Tee nach Arabien und Russland.
Glenburn, Castelton und Margret`s Hope – mit die bekanntesten Gärten, weigern sich auf Bioproduktion umzustellen. Sie verlassen sich darauf, dass ihr guter Name weiterhin einen guten Preis rechtfertigt. Teilweise werden organische Techniken angewendet, aber nie wird auf Chemie-Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichtet. Durch die Höhenlage ist aber vergleichsweise wenig Gift nötig. Bei Margrets Hope ist es ein Problem, dass die besitzende Firma wenig Geld in neue Pflanzen investiert und die alten intensiv gespritzt werden, um ein gewisses Produktionsniveau zu halten. Da in der Regel ohne Schutzkleidung gespritzt wird, haben sowohl die Arbeitsteams als dann auch die Pflückerin Haut- und Atemkrankheiten.
Manche Pflanzer wollen Bio-Tees herstellen, damit es den Käufern, uns, besser geht. Aber den Chemie-Teebauern geht es nicht darum, dass wir ein gutes Gewissen haben, sondern sie die Zukunft ihrer Arbeiter sichern können und das geht eher ihres Erachtens eher mit konventionellem als Bio-Anbau. Aber wenn der Europäer, der wichtigste Käufer von Darjeeling „Bio“ will, dann muss Darjeeling „Bio“ produzieren. Somit ist es nicht einfach zu entscheiden was nun besser ist: Wenig aber teuren Bio-Tee nach Europa zu exportieren oder Massen an konventionellem Tee in Asien, Russland oder Arabien zu verkaufen.
Darjeeling Tee hat durch seine Höhenlage (dünne Luft), Luftfeuchtigkeit, Regentage, Sonnenstrahldauer und Zusammensetzung der Erde Vorbedingungen die sich als optimal für die Camellia sinensis herausgestellt haben. Die Teepflanze hat hier eine Winterpause von 4 Monaten – in Assam sind es nur 2. Pro Hektar produziert man in Darjeeling etwa 400 kg Tee – während es in Assam 1,2 Tonnen sind. Da der Durchschnittsgarten in Darjeeling 234 Hektar groß ist, können sie viele hundert Meter Höhenunterschied haben und so in unterschiedlichen Klimazonen liegen. Oft erntet man bei einer Plantage „unten“ einen Monat eher als „oben“. Eine Arbeiterin in Assam pflückt übrigens Blätter für 800 kg Tee / pro Jahr – in Darjeeling sind es nur 200 Kg.
Eine Pflückerin in Darjeeling verdient pro Arbeitstag rund 2-3 €. Sie bekommt meist einen Bonus wenn sie besonders viel Tee gepflückt hat. Alle paar Jahre verhandeln die Gewerkschaften neu und zuletzt gab es alle drei Jahre nicht nur eine Lohnerhöhung sondern auch eine Sonderzahlung in der Höhe von 20 Prozent des Jahresgehaltes. Neben reinem Lohn erhalten sie und ihre Familien oft eine Volksschulausbildung und kostenlos Essen, sauberes Wasser und eine erste Versorgung in der Krankenstation. Wenn man krank ist, gibt es 50-75 % eines Tagesgehalts – hierzu gehören auch 3 Monate Mutterschaftszeit. Für jedes Jahr das man dort gearbeitet hat, erhält man bei „Renteneintritt“ ein Monatsgehalt ausgezahlt. Überdies ist der Arbeitsplatz vererbbar. Erben können diesen aber verkaufen, wenn sie nicht auf dem Teefeld arbeiten wollen. Dies sind aber alles nur auf dem Papier festgehaltenen Standards und die Realität ist fast immer sinister.
Für den Verkauf des Darjeelingstees sind mittlerweile Auktionen und der Direktverkauf ebenbürtig wichtig. Bei den Auktionen ist eine Firma für 95 Prozent der Verkäufe verantwortlich: J. Thomas & Co. Dies waren im Jahr 2015 rund 5 Mio. Kg Tee aus Darjeeling. Insgesamt werden etwa 1/3 aller in Indien auktionierten Tees bei der Firma verkauft. In der gesamten Kapazität waren es bei J. Thomas & Co rund 200 Mio. Kg Tee. Es gibt nur noch einen Auktionator der eine klassische Auktion abhält. Alle anderen lassen es über IT-Systeme laufen, sodass man gar nicht mehr vor Ort (am Laptop) sein muss. Manche Gärten möchten nicht in einer Auktion verkaufen, weil die Ware dann klassifiziert wird. Andere wissen, dass sie in privaten Absprachen mit Käufern einen höheren Gewinn erhalten. Nicht alle Käufer haben Zugang zum Auktionssystem oder wollen auf die Tageslaunen Rücksicht nehmen müssen. Anderen ist der direkte Kontakt zu den Produzenten wichtig, bspw. um auf die Einhaltung von Qualitätsstandards Einfluss nehmen zu können. Anderen ist es wichtig, dass sie schnell an den Tee kommen. Es vergehen zwischen Ernte und Kauf bei einer Auktion schon einmal vier Wochen. Während der Direktkauf sofort ist. Manche Gärten kritisieren, dass bei den Proben für die Interessenten bei der Auktion rund 8 Kg Tee verbraucht werden.
Neben der politischen Frage nach mehr Unabhängig für West-Bengal (Gorkhaland) und den regelmäßigen Arbeiterstreiks ist der Klimawandel die größte Bedrohung des Darjeeling-Tees. Die Reste des Waldes werden weiterhin für Hausbau und Feuerholz geopfert. Die Temperaturen steigen im Jahresschnitt immer an und der Regen kommt nicht mehr regelmäßig. Er kommt in Wellen und das macht es schwer guten Tee zu produzieren. Da es kaum noch Wald gibt, kann dieser weder den Boden vor Erosion schützen noch das Wasser aufnehmen und dann langsam wieder abgeben. Überdies hat ein halbes Jahrhundert Chemie-Einsatz die Böden schwer beschädigt.
Viele Kinder wurden auf den Teegärten schulisch so gebildet, dass sie es gar nicht einsehen ihre erworbenen Fähigkeiten ruhen zu lassen und Pflückerin zu werden. Andere sehen im Bollywood TV wie gut es in den Großstädten den Menschen (angeblich) geht und ziehen deswegen weg. „Im Tee“ zu arbeiten ist nicht modern. Durch Internetzugang ist selbst die abgelegene Region Darjeeling mit der Welt verbunden und man sehnt sich dort nach dieser Ferne. Viele haben Zukunftsträume – und wenn man dort bleibt, dann weiß man, dass man sein Leben lang nicht mehr erreicht als auf dem Feld Tee zu pflücken.
Besonders demotiviert es, dass ein Kilogramm Tee für ein Wochen-Monats oder gar Jahresgehalt einer Pflückerin verkauft wird, während sie keine Beteiligung an den Gewinnen der Plantagenbesitzer haben. Beispielsweise hatte Raja Banerje – Leiter von Makaibari und als der „Bio-Papst“ bekannt – die Idee, dass man die Pflückerinnen zu Teilhabern macht und sie so auf ihrem Land ihren Tee pflücken und er diesen abkauft und dann in seiner Fabrik verarbeitet. Aber seine Pläne hat er nicht verwirklicht und die Plantage 2014 an den Großkonzern Luxmi für rund 3,5 Mio. Dollar verkauft.
Eine womöglich zukunftsweisende Lösung gibt es als Experiment in Kerala: Die Kanan Devan Hill Planation Company gehören sieben Gärten mit etwa 24.000 ha Anbaufläche und 25.000 Tonnen Tee Jahresproduktion. Nach der britischen Gründung 1870 ging sie 1976 in den Besitz von Tata. Da sie aber zur Wende des 21. Jahrhunderts nur Geld kostete verkaufte es Tata an die Arbeiterschaft. Den 13.000 Teearbeitern gehörten 70 % der Firma. Tata hatte noch 20 % Anteil behalten und übernahm das Marketing und den Verkauf des Tees. Dem Rentenfond von Tata gehören die letzten 10 %. Nach der Übernahme durch die Arbeiter und Pflückerinnen stieg die Produktion sofort um 25 Prozent. Anstatt Verluste einzufahren macht die Plantage nun etwa 3 Mio. Dollar Gewinn pro Jahr – sodass jeder Aktieninhaber etwa 250 € Jahresbonus erhielt. Andere Gewinne wurden in verbesserte soziale Fürsorge, medizinische Versorgung, besseres Nahrungsversorgung und bio-dynamische Felder investiert. Kürzlich kaufte Tata den Arbeitern 10 % Anteil ab und besitzt nun wieder 30 % an der Firma.
Die KDHPC geht davon aus, dass man in Darjeeling mindestens die Produktion verdoppeln könnte, wenn sich das Management nicht mehr um die Arbeitsprobleme kümmern müsste. Eine Konzentration auf besseres Marketing und Direktvertrieb via Online-Shops könnte den Profit verdreifachen.
Im Moment gehen die meisten Beobachter davon aus, dass das koloniale System von Darjeeling, Assam, Ceylon erst einmal implodieren muss und aus den Ruinen dann ein modernes System wachsen kann. An Reformen glauben nur noch wenige.
Ferner verkaufen die meisten Darjeeling-Plantagen einfach nur Tee. Ein Getränk, das auch viele andere herstellen. Aber klar zu machen, was ist das Besondere hieran, was macht den hohen Preis genau aus, welche Idee, welchen Traum, welche Hoffnungen macht Darjeeling aus, dass interessiert kaum einen Pflanzer. Aber die Käufer wollen nicht nur den Tee haben, sie wollen sich dadurch gut fühlen.
Darjeeling Tee hat überhaupt nur eine Zukunft, wenn es nicht gelingt das Aroma an einem anderen Ort zu reproduzieren. Nepal ist hier eine große Gefahr. Ferner muss weiterhin die koloniale Magie von Darjeeling die Menschen in Europa zum Kauf anregen.
Genussmittel – Wie Europa den exotischen Drogen erlag
Als Genussmittel gelten Lebensmittel die nicht wegen ihres kalorischen Nährwertes verzehrt werden. Sie sind für ihre anregende Wirkung auf den Menschen bekannt. In einer Doppelfunktion dienten sie in den Ursprungskulturen auch als Heilmittel. Die klimatisch anspruchslose Tabakpflanze war auf dem amerikanischen Doppelkontinent verbreitet und wurde auf verschiedenste Arten von vielen Ethnien konsumiert. Kakao war nur bei den Azteken und Maya in Gebrauch. China bewahrte Jahrtausende lang das Geheimnis rund um Tee und Jemen hatte jahrelang das Monopol auf den Kaffeeanbau.
Für Europa waren die vier Produkte etwas völlig Neues. Weder kannte man die stimulierende Wirkung von Koffein und Nikotin noch deren Konsumformen. Viele Menschen waren anfangs vom Tabakrauch, dem bitteren Geschmack der Getränke und deren Aussehen abgestoßen. Ohne die psychoaktive Wirkung hätten Europäer sich nie bemüht die neuen Genussmittel heimisch zu kultivieren. Die europäische Expansion begann mit der Suche nach Seewegen gen Indien für den Gewürzhandel, machte eine Zwischenstation als Beschaffungsinstrument für neue Heilmittel und endete mit der Ausbeutung ganzer Kontinente für die europäische Drogensucht.
Im 17. Jahrhundert stieg das Interesse der europäischen Mediziner an den neuen Genussmitteln. Nach ersten kritischen Anmerkungen schlug sich die Mehrheit der Ärzte auf die Seite der Befürworter. Dem unbekannten Tabakrauch räumte man sogar den Status als Allheilmittel ein. Kritiker, die schwarze Lungen bei Tabakrauchern entdeckt hatten, wurden meist ignoriert. Da Tabak günstig war und in Massen importiert werden konnte, entwickelte es sich zu einem Produkt für Jedermann. Nur durch die Accessoires (Tabatièren) konnte Wohlstand ausgedrückt werden. Während Kakao lange Zeit ein Getränk der Oberschicht blieb, sickerte Tee- und Kaffeekonsum langsam in die restliche Gesellschaft. Die Verbreitung der Heißgetränke fand über zwei Kanäle parallel statt: Dem bürgerlichen Kaffeehaus und den aristokratisch-klerikalen Zirkeln. Im Zusammenspiel mit fernöstlichem Porzellan und Silberbesteck entwickelten sich die Heißgetränke zu Statussymbolen.
Auf die zunehmende Verbreitung der Genussmittel antworteten die europäischen Obrigkeiten mit widersprüchlichen Methoden: Zuerst sollten Verbote die Bevölkerung vor möglichen gesundheitlichen Schäden schützen und die Staatskasse vor abfließenden Geldmitteln. Später erkannte man den finanziellen Nutzen. Es folgte die Besteuerung von Import, Konsum und Anbau. Königliche Konzessionen für Kaffeehäuser, Tabakmanufakturen oder auch Pfeifenbäckereien mussten teuer erworben werden.
Japan – Tee transformiert ein ganzes Land ins entspannte Zen
Um das Jahr 800 wanderten taoistische Mönche aus China durch Japan und verbreiteten neben der Religion auch Tee als Heilpflanze. Infektionen, Vitaminmangel und Magenprobleme wurde mit Tee behandelt. Die richtige Zubereitung wurde so wichtig, dass jeder Samurai seinen eigenen Mönch und damit Tee-Experten mit sich führte. Bis man das Trinken des zerriebenen Blattes perfektioniert hatte war aber schon das Jahr 1000 angebrochen. Zen-Meister wurden so oft zu Teemeistern. Die Gestaltung des Teeraumes orientierte sich an den heimischen Tempeln. Das Trinken des Tees wurde zu einem Ritual, das den Weg zur religiösen Erleuchtung abbildete. Über die Jahrhunderte löste sich Japan vom chinesischen Vorbild und entwickelte eigene Traditionen.
Der Teemeister Sen no Rikyū (1522 – 1591) war der Auffassung, dass Teetrinken hilft, in sich selbst Harmonie zu finden. Hierfür wurde fast die gesamte Dekoration aus dem Teeraum entfernt. Der Minimalismus sollte eine Abkehr von weltlichen und materialistischen Werten erleichtern. Oft war im Teeraum nicht mehr als eine Pflanze und eine Kalligraphie erlaubt. Dazu sollte simples japanisches Teegeschirr benutzt werden und nicht die hochwertigen und reichverzierten chinesischen Services. Im japanischen Teeraum waren alle Menschen gleich und schwiegen. In dieser Stille wurde man von Harmonie, Reinheit, Ruhe und Ehrfurcht erfüllt. Militärische oder gesellschaftliche Ränge waren bedeutungslos. Der Eingang war so klein, dass man sich weit in Richtung Erde bücken musste, um anzuerkennen wie klein der Mensch im Vergleich zur Natur und den Göttern war.
Eine japanische Teezeremonie wird chanoyu genannt, was übersetzt „heißes Wasser für Tee“ bedeutet. Erde, Feuer, Holz, Wasser und Metall sind die einzigen erlaubten Elemente – künstliche Stoffe sind verboten. Es haben sich viele regionale und epochale Unterschiede entwickelt. Gemeinsam ist allen japanischen Teeritualen aber, dass man sich von Alltagsproblemen befreien soll und der Teeraum ein Ruhepol ist. Häufig befindet sich der Teeraum oder auch Pavillon in einem Garten. Beim Gehen durch den Garten in Richtung Teeraum entfernt man sich mit jedem Schritt weiter vom Alltag. Der Teegarten soll die ursprünglich Schönheit und Ruhe der Natur symbolisieren. Getrunken wird oft nur eine Schale gemahlener Grüntee (Matcha). Übrigens durften erst nach dem Ende der japanischen Isolation 1854 auch Frauen Tee ausschenken – davor gab es nur männliche Teemeister.
China – Die Geburtsstätte aller Tees und Teekulturen
Einer Sage nach wurde Tee vor 5.000 Jahren vom chinesischen Kaiser Shen Nung entdeckt. Ihm fielen ein paar Blätter in seine Trinkschale und das heiße Wasser wandelte sich zu köstlichem Tee. Eine andere Legende besagt, dass ein Buddha bei der Meditation einschlief und er aus Wut seine Augenlider abriss. An dieser Stelle wuchs der allererste Teestrauch und das Getränk hieraus verhinderte, dass er erneut einschlief. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass einige Ethnien in Süd-Ost Asien vor tausenden Jahren begannen die Blätter des Teestrauchs (Camellia sinensis) für die Nahrungszubereitung zu benutzen oder pur zu essen. Sie lernten voneinander wie man die Teepflanze anbaut und ihre Blätter verwendet. Aber dass so wichtige Personen wie ein Buddha und ein Kaiser als Entdecker des Tees gelten, verdeutlicht wie hoch angesehen Tee dort schon immer war.
Etwa um unsere Zeitwende kam man auf die Idee, die Blätter zu Pulver zu verkleinern und eine Art Teebrei zu trinken. Dies ist vergleichbar mit Matcha. Erst vor wenigen hundert Jahren setzte es sich durch, dass man die getrockneten Blätter mit heißem Wasser aufgoss – so wie wir es heute noch mögen. Da dieser Teeaufguss nicht immer gut schmeckte, war es üblich, das Teewasser mit wohlduftenden Pflanzen wie Jasmin zu aromatisieren. Mit den Jahren entwickelte sich in China hierbei eine starke regionale Spezialisierung. Mönche waren in ihren Klostergärten über die Jahrtausende sehr experimentierfreudig beim Teeanbau. Viele Sorten und Wissen über Tee haben wir ihren Studien zu verdanken.
Heute werden die besten Qualitäten in China für den nationalen Gebrauch reserviert. Chinesen exportieren nur etwa 15 Prozent ihres Tees. Von den rund 2,5 Millionen Tonnen chinesischem Tee erreichen uns in Deutschland nur 13.000 Tonnen. China hat sich damit auch im Bereich Tee von den vernichtenden Folgen der Kulturrevolution (1966-1976) erholt und ist heute wieder das facettenreichste Teeland der Welt.
Die chinesische Teezeremonie wird heutzutage als Gong Fu Cha – also Teezubereitung mit besonderer Sorgfalt – bezeichnet. Weder war dies früher in China verbreitet, noch ist es eine Zeremonie. In den letzten 30 Jahren entwickelte man in China aus eigenen, japanischen und taiwanesischen Vorbildern eine Art Teekunst, die man im Ausland gut vermarkten konnte und das gesamte Staatsvolk mit einer einheitlichen kulturellen Identität ausstattete.
Handelskompanien – Europäische Kaufmannskrieger erobern Asien
1494 hatte der Papst den neuentdeckten Kontinent Amerika den Spaniern zugeschlagen und Portugal durfte „Indien“ kolonisieren. Diese Aufteilung hielt rund 100 Jahre an. Engländer gründeten 1600 die East India Company (EIC) und Niederländer 1602 die Vereinigte Ostindische Handelskompanie (VOC), um vom Ostindienhandel zu profitieren. Die vier Nationen kämpften fast das ganze 17. Jahrhundert in Südamerika, Afrika und Asien mit hunderten Kriegsschiffen, tausenden Soldaten und wechselnden lokalen Verbündeten um die Vorherrschaft. Während Spanier und Portugiesen mit einem christlich-katholischen Missionsgedanken die Welt eroberten, ging es der EIC und der VOC nur darum, möglichst hohe Gewinne für ihre Investoren zu erzielen.
Die VOC wurde gegründet um Gewürze, die man nun nicht mehr beim Kriegsgegner Portugal kaufen konnte, direkt in Asien zu beschaffen. Da die VOC für die Holländer derzeit die einzige Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg war, durfte sie eine eigene Armee unterhalten, eigene Gebiete besetzen, eigene Gesetze erlassen und Sklaven halten. Sie waren Kaufmannskrieger, die skrupellos Handelsrouten eroberten und Monopole anstrebten. Das gesamte goldene Zeitalter der Niederlande und die heute noch teilweise existierenden Schätze an Architektur und Kunst wurden mit dem Raub und Mord in Süd-Ost-Asien finanziert. Die VOC dominierte neben dem Import von Luxusprodukten nach Europa auch den gesamten Handel zwischen Ostafrika und Westjapan.
Auch die EIC wurde als Gewürzhändler gegründet. Da die VOC auf den Gewürzinseln zu mächtig war, konzentrierte sich die EIC auf den Handel mit Indien und China. Der Versuch den Handel mit Nord-Amerika zu kontrollieren, scheiterte für die EIC mit der Boston Tea Party 1773. Die EIC verlor 1813 das Monopol für den Indienhandel und 1834 für den Chinahandel. Jetzt durften alle Händler die Waren importieren und damit sanken die Gewinne für die EIC. Sie versuchte nun die Produktion und damit die Preise von Tee und Opium in Indien zu dominieren. Das System basierte auf Sklaven- und Zwangsarbeit. Die lokalen religiösen und ethnischen Unterschiede wurden kaum beachtet. Mit der brutalen Niederschlagung eines Aufstandes 1857 begann das Ende der EIC. Englische Politiker empörten sich gekonnt über diese Gewalt und setzen durch, dass die EIC 1858 der Queen Indien schenken musste. Die EIC-Schulden wurden auf die indischen Steuerzahler abgewälzt und die 3.500 EIC- Aktionäre erhielten eine enorme Entschädigung.
Ostindienhandel – großer Profit und viele Verlierer
Nachdem Osmanen 1453 das oströmische Reich besiegt hatten, blockierten sie den Asienhandel der christlichen Europäer auf der Seidenstraße. Portugal, die zum damaligen Zeitpunkt größte europäische Seemacht, startete in ein Zeitalter der Entdeckungen. Es gründete ein globales Kolonialreich und importierte exotische Gewürze nach Europa. Im 17. Jahrhundert wurde der Ostindienhandel durch Stoffe wie Seide und dem stetig wachsenden europäischen Teedurst geprägt. Mittlerweile hatten aber Niederländer die internationalen Wasserwege und einige portugiesische Besitzungen erobert. So kam 1610 das erste Mal Tee als Handelsware auf niederländischen Schiffen nach Europa.
Das benachbarte Ostfriesland wurde vor allem über Geschichten des sagenhaften Reichtums Asiens in diese rasante Entwicklung hineingerissen und hunderte junge Ostfriesen gingen nach Amsterdam, um auf einem Ostindienfahrer anzuheuern. Dass die Reise und der Aufenthalt in Süd-Ostasien oft tödlich endete war vielen nicht bewusst. Das Leben an Bord wurde durch das Wetter (von eiskalten Stürmen bis sengender windstiller Hitze), harter Arbeit, wenig Platz, Mangel an Nahrung und Hygiene bestimmt. Von den knapp eine Million Europäern, die auf den holländischen Schiffen nach Asien fuhren, sahen nur etwa 30 Prozent ihre Heimat wieder.
Der größte Feind der Seeleute war Vitaminmangel. Es war damals noch nicht bekannt, dass Obst und Gemüse lebenswichtig sind. Jedes Schiff wurde mit lebendigem Vieh auf die Reise geschickt, damit wochenlang frisches Fleisch zur Verfügung stand. Aber deren Fäkalien waren Keimzellen für viele Krankheiten. Der Zusammenhang von Sauberkeit und ansteckenden Infektionen war ebenfalls noch nicht bekannt. Überdies waren die Frischwasserfässer oft von Fliegen und deren Eiern verunreinigt – ganz abgesehen von den Tropenkrankheiten die durch ihre Stiche übertragen wurden. Schon im antiken Rom wusste man, dass Fliegen besonders in schlechter Luft (mal aria) uns Menschen schaden.
An Land fand man Tiere und Pflanzen die noch nicht erforscht waren und aß nach bestem Gewissen oft etwas, das sich später als giftig herausstellte. Selbst wenn man all dies überlebte, konnte man durch Scharmützel mit lokalen ethnischen Gruppen, Piratenübergriffe, einen schlechten Verlierer beim Würfelspiel an Bord oder einen Neider, der es auf die angeblichen Schätze in der persönlichen Seemannstruhe abgesehen hatte, sterben.
Tea-Tasting: Alles eine Frage des Geschmacks?
Der Vorläufer des modernen Tea-Tastings war in China jahrhundertelang wohlhabenden Genussmenschen vorbehalten. Man traf sich in der Natur um die Teesorten der Region zu probieren und philosophierte über Literatur und Kunst. Die besten Sorten wurden bei kleinen Wettbewerben ausgezeichnet.
In Europa entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in London die ersten Tea-Taster. Mittlerweile konnten es sich mehr Briten leisten Tee zu trinken und die Kunden verlangten nach gleichbleibendem Geschmack und guter Qualität. Somit testeten erfahrene Mitarbeiter der Teefirmen in London die neu eingetroffenen Ernten und begannen mit ausgewählten Teesorten Mischungen gleichbleibender Qualität zu erstellen.
Heute werden bei Teefirmen pro Jahr zehntausende Teesorten verkostet. Abhängig von dem Ursprungsland, dem Anbaugebiet, dem Teegarten, dem Erntezeitpunkt und der Verarbeitung verändern sich Geschmack, Geruch und Farbe des Aufgusses. Erfolgreiches Tea Tasting ist eine Sache der Erfahrung. Die Voraussetzung für den Beruf ist neben einer kaufmännischen Ausbildung Geduld, Liebe zum Produkt und Weltoffenheit. Hilfreich ist der Verzicht auf scharfe Gewürze, Rauchen, harte Alkoholika oder auch Kaffee.
Weltweit hat sich ein standardisierter Ablauf etabliert: 2,86 Gramm Tee werden erst mit frisch aufgekochtem Wasser fünf Minuten im Tea Taster Pot ziehen gelassen. Anschließend in den Tea Taster Cup gefüllt und mit einem Löffel probiert. Nach diesem Schlürfen wird der Tee in ein Spittoon gespuckt und der nächste Tee getestet.
Ablauf eines Tea-Tastings: Zuerst werden auf einem langen Tisch bei natürlichem Licht verschiedene Teemuster gleicher Blattgröße und Anbaugebiete aufgereiht. Mit einer Handwaage wiegt man von den einzelnen Tee-Mustern genau 2,86 Gramm ab und füllt diese jeweils in einen Porzellanbecher mit Deckel (Tea Taster‘s pott). Das genaue Gewicht entspricht der zeitgenössischen englischen 6 Pence Münze. Den abgewogenen Tee brüht man mit aufgekochtem Wasser auf und lässt ihn genau fünf Minuten ziehen. Die zubereiteten Aufgüsse gießt man jeweils in eine Porzellanschale (Tea Taster‘s cup). Die aufgebrühten Teeblätter (Infusion) werden auf Farbe und Beschaffenheit begutachtet und auf Geruch getestet.
Der Tea Taster geht nun mit einem Löffel von Probe zu Probe. Er schlürft, schmeckt und spuckt den Tee in einen Behälter (Spittoon). Das Schlürfen ist von großer Bedeutung, denn der dabei eingesogene Sauerstoff sorgt für eine höhere Geschmacksempfindlichkeit und verteilt den Tee weiträumig im Mund.