Obwohl fast niemand an Vietnam denkt, wenn es um Tee geht, ist das Land der sechstgrößte Produzent (300.000 t) und fünftgrößter Exporteur (150.000 t) weltweit.
Mit China hat das Land eine 1400 km lange Grenze und wurde ein Millennium von China beherrscht. Doch die Wurzeln für Vietnam-Tee reichen tiefer in die Historie zurück. Teepflanzen wuchsen bereits vor der chinesischen Besatzung im heutigen Vietnam und die Nomaden der Grenzregion hatten ihre eigenen indigenen Teekulturen. Einige dieser sozialen Verhaltensformen haben bis heute Gültigkeit. So ist es immer noch unfreundlich einem Gast nicht erstmal eine Tasse Tee anzubieten. Die Teepause war und ist essentieller Bestandteil der Alltagskultur in den Anbauregionen. Mit den Chinesen kam auch ihre Hierarchie. Reiche Personen ließen sich Tee nach festen Regeln und mit bestimmten Utensilien servieren. Tee war ein Instrument um soziale Rangordnung zu repräsentieren. Heute findet man nur noch bei entlegenen Landbewohnern die diversifizierten tradierten Teekulturen. Je jünger und verstädterter eine Person ist, desto eher entfremdet sie sich mit individuellen Teebeuteln vom sozialen Ereignis Tee trinken.
Eine nationale Teeproduktion kam erst mit der französischen Kolonialherrschaft. Um ihre Zwangsabgaben zu erfüllen erhöhten ihre Erntemengen,. Viele heutige Teepflanzen stammen noch aus dieser Phase. Ab 1890 versuchte die Kolonialmacht mit Plantagen eine Teeindustrie aufzubauen. Man konnte sich aber nie gegen die englische und niederländische Konkurrenz durchsetzen. Bis 1945 stieg die Anbaufläche auf 13.000 ha und der Ertrag auf 6.000 t. In den 30 Jahren des Vietnamkrieges zerfielen Forschung, Anbau und Produktion. Nach dem Krieg förderten die Sowjets die Schwarzteeproduktion. Mit dem Ende der Sowjetunion zerfiel auch die Schwarzteeproduktion in Vietnam. So bemühte man sich in den 1990er Jahren um Kooperationen mit anderen Konsumländern. Mittlerweile stehen etwa 130.000 ha unter Tee und der Teesektor beschäftigt eine halbe Million Menschen.
Die vietnamesische Teewelt ist aber gespalten. Es gibt hervorragende Terroirs und kleinbäuerliche Handwerkskunst die Kennern Spitzentees zu guten Preisen liefert. Hier wird auch die vietnamesische Tradition in Anbau und Produktion geschätzt. Viele der Kleinbauern verkaufen ihren Tee aber an Fabriken die Tees für den Export produzieren. Hier wird Vietnam-Tee ohne Nennung in indischen und chinesischen Mischungen verwendet. Seit dem Beitritt zur WTO 2007 übernehmen internationale Großkonzerne immer mehr Anbaufläche. Kleinbauern lockt hier das schnelle Geld. Die Konzerne können in Monokulturen mit modernsten Techniken und Maschinen hohe Erträge aus den Böden saugen. Viele Bauern müssten ihre Kultivare gegen neue ertragreichere Varianten tauschen, scheuen aber eine Investition. Die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges lassen sie lieber das Geld der Konzerne nehmen als die Unsicherheit „Zukunftsinvestition“ zu wagen.
Einer der wichtigsten Investoren ist Taiwan. Deren Tee ist weltweit beliebt aber die Anbaufläche auf der Insel begrenzt. In Vietnam können in vergleichbaren Terroirs ähnlich gute Oolongs wie auf Formosa produziert werden. Chinesen lassen eher Long Jing pflanzen um den Bedarf des Westens so zu decken. Mit jeder ausländischen Kooperation verliert Vietnam aber seine eigenen Kultivare. Vietnam müsste auf dem Weltmarkt sichtbarer werden um für seine eigenen Tees werben zu können, anstatt nur Inkubator für fremde Teesorten zu sein.