Beiträge über Tee und seine Geschichte

Wie das aufgeklärte Europa den sanften Drogen verfiel

Im Zeitalter der Aufklärung fand Europa zu einem Lebensstil der die neuen Drogen Tabak, Kaffee, Kakao und Tee in den Mittelpunkt stellte. Die Europäisierung dieser Produkte inkludierte den Konsum, die Produktion, die Verteilung sowie die Konstruktion anerkannter medizinischer und ideologischer Meistererzählungen über deren Verwendung. Die neuen Waren ersetzten nicht nur lokale Produkte, sondern förderten eine Transformation der Beziehung von Europäern zur pflanzlichen Welt.
Seriosität und Nüchternheit als wirkmächtige gesellschaftliche Ideologien beförderten die Verbreitung der neuen Produkte in Europa.
Obwohl die neuen Drogen um die Wende zum 17. Jh. in Europa bekannt waren, setzten sie sich erst ab der zweiten Jahrhunderthälfte durch. Das Wichtigste war in dieser Zeit für die Europäer die Kontrolle über den Anbau und Handel zu erlangen. Während man bei Kakao und Tabak schnell diese Ziele erreichte, war man bei Kaffee und bei Tee noch länger auf die nicht-europäischen Produzenten angewiesen. Erst 1658 konnte Kaffee von den Niederländern auf Ceylon angebaut werden und wurde erstmals 1712 in Europa verkauft. Danach gelang die Etablierung auf Surinam und Java recht schnell. Frankreich gelangte schließlich über die Niederlande in Besitz der Kaffeepflanze und baute diesen auf seinen Kolonien Martinique, Cayenne und Réunion an. England baute es erst ab den 1770er Jahren auf Jamaika an. Auf europäischen Tee musste man noch 100 Jahre länger warten. Durch die europäische Kontrolle von Anbau und Handel der neuen Drogen und dem massiven Einsatz von Sklavenarbeit gelang es diese exotischen Luxusgüter und Genussmittel immer günstiger anzubieten und damit den Konsumentenkreis stetig zu erhöhen.
Man übernahm zuerst die Trinkgewohnheiten der Ursprungsländer bis man sie seinen lokalen Vorlieben anpasste. Besonders das Süßen mit Zucker spielte, seitdem dieser auf karibischen Sklavenplantage angebaut wurde, eine wichtige Rolle bei der Europäisierung des Konsums. Ferner gab es eine jahrhundertelange Debatte über die medizinische und gesellschaftliche Rolle und Wirkung der neuen Drogen. Ähnlich wie die Getränke an sich imitierte man auch das soziale Gefüge was in den Ursprungsländern um die Getränke herum aufgebaut worden war. Ein zentraler Ort war das Kaffeehaus in dem alle drei Getränke konsumiert worden. Eine bürgerliche Männlichkeit die Seriosität, Respekt und Zielrichtigkeit ausstrahlte wurde übernommen.
Das Aufkommen dieser neuen kulturellen Trinkgewohnheiten sollte freilich die Frage aufwerfen, was sie eigentlich ersetzten. Heiße Getränke kannte man nur als Kräuteraufgüsse. Diese waren reine Medizin und kein Genussmittel. Aus dieser Denktradition wurden auch die neuen Heißgetränke erstmal unter medizinischen Aspekten diskutiert. Neben der Heilwirkung ging es auch darum die betäubende Wirkung von Opium oder Cannabis zu kontern. Der Humorallehre folgend beachtete man lange Zeit die Wirkungen der neuen Heißgetränke auf die Körpersäfte, Durst und Hunger der Konsumenten.
Mit der Entdeckung exotischer Pflanzen verlor die volkskundliche Medizin an Bedeutung. Es war nun moderner exotische Pflanzen zu konsumieren als lokale Alternativen. Freilich sorgten Urbanisierung und das Entstehen von Ziergärten anstelle des funktionalem Anbaus für eine weitere Entfremdung der lokalen Kräuterkunde. Es wurden aber nicht nur Kräuter verdrängt – auch Alkohol geriet unter Druck. Während man jahrhundertelang mit Bier getränkten Getreidebrei frühstückte konsumierte man seit der Mitte des 18. Jh. eher festes Brot zum Tee, Kaffee oder Kakao.

Mehr: Excitantia: or, how enlightenment Europe took to soft drugs; Jordan Goodman; 2007; Routledge

Joseph Banks: Der Spiritus rector des indischen Teeanbaus

Banks (1743-1820) studierte in Eton und Oxford Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Botanik. Kurz nach seinem Abschluss gehörte er als einer der reichsten Söhne Englands zu den Finanziers von James Cooks erster Reise. Banks selbst reiste nach Labrador und Neufundland, um neue Tier- und Pflanzenarten zu erforschen. Die zweite Reise von James Cook (1768-1771), jetzt in den Süd-Pazifik, führte er als wissenschaftlicher Leiter. Mit seinem Team sammelte er Belege für Hunderte neuer Arten und Gattungen aus Flora und Fauna. Für seine Zeitgenossen war Cook nur der Schiffsführer und Banks der Star der Expedition. I

n den 1770er Jahren unternahm er weitere Forschungsreisen nach Tahiti, Neuseeland, Australien und Brasilien. Wenn er zwischenzeitlich in London war, warb er Gelder für den botanischen Garten in Kew ein und ließ diesen so zum „Royal Botanical Garden“ werden. Aus dem gesamten Empire sendeten (Hobby-)Botaniker Pflanzenproben nach Kew, um hier untersuchen zu lassen, wo im Empire welche Pflanze den höchsten Profit erwirtschaften könnte. Somit positionierte sich Banks ins Zentrum des Empire Dreiecks aus Forschung, Politik und Landwirtschaft. Manifestiert wurde dies 1778 durch seine Ernennung zum Präsidenten der Royal Society. Bis zu seinem Tod leitete er die Gesellschaft, welche Wissenschaftler im gesamten Empire förderte und koordinierte. Die wichtigsten europäischen Universitäten ernannten ihn zum Ehrendoktor und nahmen ihn in ihre wissenschaftlichen Akademien auf.  

Zusammen mit Francis Baring (Direktor der EIC) und Lord Hawkesbury (Präsident der britischen Handelskammer) eruierte Banks schon in den 1780er Jahren inwiefern Tee im Empire angebaut werden könnte. Neben Indien hatte man die karibischen Inseln im Blick, da dort schon die notwendige Sklavenpopulation existierte. Wenn es darum ging „orientalische“ Pflanzen in das Empire zu bringen, war Banks mit seinem Netzwerk aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft der wichtigste Ansprechpartner. Ziel war immer den teuren Import zu beenden und selbst mit Sklaven ohne Rücksicht auf Indigene eine billige Produktion im Empire zu etablieren. Zimt, Nelken, Muskatnuss, Seide, Karmin und Tee waren seine Lieblingsprojekte. Die Etablierung von botanischen Gärten in Indien um bspw. mit Teeanbau zu experimentieren wurde von ihm jahrzehntelang gefördert. Neben der Beschaffung von Pflanzen, was oft illegal geschah, war auch der sichere Transport ins Empire ein Problem. Banks organisierte für einige Schiffe die Ausstattung mit Glaskabinen, sodass diese in einer Art Terrarium verschifft werden konnten. Das Wardsche Gefäß war freilich noch nicht erfunden. Immer wieder erreichten ihn Informationen über chinesischen Teeanbau und Produktion. 1788 verfasste er einen Plan um Tee in Indien mit chinesischen Pflanzen zu produzieren. Aufgrund des noch existierenden Handelsmonopols der EIC mit China fand er aber kaum finanzielle Unterstützung. Vier Jahre später setzte er durch, dass die diplomatische MacCartney Mission nach Peking auch Informationen über Tee sammeln sollte. Sowohl für Banks als auch den englischen Staat war die Reise aber ein Fiasko.  Als 1816 eine kartographische Expedition China erfassen wollte, finanzierte es Banks mit dem Hinweis, auch nach Tee Ausschau zu halten. Da es in Korsika, Süd-Frankreich und Rio de Janero Erfolge beim Anbau der Teepflanze gab, erlebte Banks noch die Antwort auf seine Frage, ob Tee außerhalb von China existieren könne. Nach seinem Tod 1820 offerierte die Royal Society zwei Goldmedaillen für den Mann, der das Teeprojekt ihres ehemaligen Präsidenten Banks vollenden würde. 1840 erhielt Bruce diesen Preis.

Da Banks über Jahrzehnte im kolonial-wissenschaftlichen System für Teeanbau in Indien warb, ist es unsicher ob oder in welcher Form es ohne ihn eine englische Teeindustrie in Indien gegeben hätte. Vorwürfe, dass er das Leid von Millionen von Indigenen in Kauf nahm für den billigen Anbau von Cash Crops sind sicherlich richtig. Aber das gesamte Empire basierte auf der Ausbeutung der Peripherie und somit ist Banks weder besser noch schlechter gewesen als Millionen seiner englischen Zeitgenossen.

Mehr:
Patrick O’Brian: Joseph Banks. A Life, University of Chicago Press, 1997

London in den Fängen der Madam Gin

Obwohl Tee seit dem 17. Jahrhundert in England bekannt war, verfielen Londoner zu Beginn des 18. Jahrhunderts dem hochprozentigen Gin. Der kollektive Rausch, die Gin-Manie, begann 1689 als der Niederländer Wilhelm III. den englischen Thron bestieg. In Holland war Genever (Malzwein, Wacholder, Kräuter und Gewürze) seit langem beliebt. Je enger die Kontakte mit England wurden, desto mehr schwappte er über den Ärmelkanal und wurde hier kurz Gin genannt.

Als der neue König 1690 die Destillation von Alkohol aus Getreide legalisierte, gab er unbeabsichtigt den Startschuss zur Londoner Gin-Sucht. Wilhelm III. wollte eine heimische Alternative für Brandy ermöglichen, da durch seinen Krieg mit Frankreich dessen Importe entfielen. Ferner wollte er es Bauern ermöglichen ihre überschüssige Weizenproduktion an Destillerien zu verkaufen. Die rund 600.000 Londoner betranken sich aber immer mehr, sodass um 1720 etwa 10 Mio. Liter in ihren Kehlen versickerten. Viele Londoner waren bettelarm und versuchten im Rausch ihrem trostlosen Alltag zu entfliehen. Die englischen Brennereien mischten puren Alkohol mit Wasser, Terpentin, Schwefelsäure, Mandeln, Branntkalk, Rosenwasser und Alaun. War das Wässerchen zu sehr verdünnt (unter 40 %), schärfte man mit Pfeffer und Ingwer nach. Ein neues Phänomen der Gin-Manie war die öffentliche Trunkenheit von Frauen. Überall wurde Gin von fliegenden Händlern verkauft, in jeder Taverne ausgeschenkt und selbst kleine Gemüsehändler wurden zu Drogendealern. Der Adel beklagte grade wegen der „Madame Generva“ den Sittenverfall und machte Alkohol für die sozialen Missstände verantwortlich. Aber die größten Trunkenbolde waren die Reichen selbst, die sich seit eh und je betranken, da ja das Gesinde für sie arbeitete. Die Unterschicht eiferte nur den adeligen Vorbildern nach. Weil Frauen auch Gin verkauften und so ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erwarben, schrillten bei der Oberschicht die Alarmglocken. Frauen drohten sich aus dem zugedachten Platz in der Gesellschaft zu lösen und so schimmerte der Zivilisationszerfall am bürgerlichen Horizont. Überdies beobachtete man erstmals, dass die Kinder der trunksüchtigen „Mother Gins“ eine hohe Quote an Fehlbildungen hatten. Nicht, dass die reichen Herren sich um die Betreuung der behinderten Kinder der Unterschicht sorgten, aber wer sollte nun die Kriege des Königs führen und auf den Schiffen der reichen Händler arbeiten?
1736 versuchte der Staat gesetzlich den Konsum einzuschränken. Aber die angedachten hohen Gebühren trieben die Gin-Industrie in die Illegalität und dort blühte sie noch stärker auf.

Als 1748, nach dem Erbfolgekrieg mit Österreich, 30.000 Soldaten in London demobilisiert wurden, zogen diese wochenlang betrunken durch die Stadt und ließen jeden selbernannten sittsamen Bürger um sein Leben fürchten. Wenig später wurde letztlich ein Gesetz verabschiedet, dass geringe Lizenzgebühren beim Ausschank erhob, die Brennereien besteuerte und die Kontrollmöglichkeiten verbesserte. Überdies fielen die Ernten um 1750 geringer aus als noch zu Beginn von Wilhelms Herrschaft, sodass kaum noch Getreide zum Brennen zur Verfügung stand. Aufgeschreckt durch diese Gin-Manie priesen immer mehr Mediziner und Pastoren die Vorteile des Tees.  

Mehr:
Patrick Dillon: Gin. The Much Lamented Death Of Madam Geneva – The 18th Century Gin Craze, London, 2020.

Die EIC als Drogenhändler

Bis 1664 erlaubte China den Engländern nur einen sporadischen Handel, um sie für voriges Fehlverhalten (Kapitän Weddell 1637) zu strafen. Tee wurde erst nach der englischen Steuersenkung von 1747 zum dominanten Handelsgut. Durch den Zucker der karibischen Sklavenplantagen fand in der englischen Teetasse also die perfekte imperiale Symbiose aus Asien- und Atlantikhandel statt.

Der auf Kanton, einer weit von Beijing entfernten Stadt, beschränkte Handel musste von der EIC hingenommen werden, da die englischen Segelschiffe noch keine Gefahr für die Landmacht China waren. Da die Verwaltung und militärische Kontrolle von „Indien“ zu teuer war, konnte man den China-Handel nicht durch Steuern finanzieren. In ersten Phase waren 90 Prozent des Handelsvolumens Silber, die restlichen 10 Prozent Baumwolle, indisches Sandelholz, Pfeffer und Elfenbeinzähne.

Als die Kosten des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zu hoch wurden, hatte England kein Silber mehr für den Teeeinkauf über und entschied sich den Opiumhandel in Asien zu steigern. Um nun einen Handel auf Augenhöhe durchzusetzen, war Lord Macartney 1792-94 in China. Aber für die Qing war er weiterhin nur ein kulturloser Barbar und damit scheiterte die Mission. Er sah aber das China enorm rückständig und damit leicht zu besiegen war. Die Kriege der Französischen Revolution lenkten England dann aber für Jahrzehnte von China ab. Die EIC setzte währenddessen immer mehr Opium um und hatte ebenso das Produktions-, Auktions- und Lizensierungsmonopol im Opiumhandel. Die EIC setzte ihre Armee auch ein um Konkurrenz im Opiumanbau zu vernichten. Anfang des 19. Jh. konnte der Opiumhandel den Einkauf von Tee zur Gänze finanzieren und ohne Opium hätte England sich seinen hohen Teekonsum nicht mehr leisten können.

Bis in die 1830er Jahre war die EIC noch Monopolist. Aber sie war sie zu groß und unübersichtlich geworden und auf allen Stufen blühte Selbstbereicherung. Händler wie William Jardine und James Matheson, die sich weder um chinesische noch englische (un)-geschriebene Gesetze kümmerten, stießen die EIC vom Thron und wurden zu den größten Drogendealern der Weltgeschichte ohne das ihre Firma heute irgendwas von diesen Anfängen wissen möchte.
Während die EIC im Handel verlor, versuchten die Qing durch den Sondergesandten Lin England zur Einstellung des illegalen Handels zu zwingen. Aber England scherte sich nicht um die Unrechtmäßigkeit seines Handels und sah die Antwort Lins, 20.000 Opiumkisten zu vernichten, als Angriff auf die britische Ehre. England entfesselten den Opiumkrieg (1839-42) und das unterlegene China musste sich mit der Öffnung von Häfen und hohen Reparationszahlungen beugen. Überdies wurde der Opiumimport nun noch weiter gesteigert und die offenen Häfen erlaubten es dem Flora-Piraten Fortune den größten Wissensdiebstahl der Menschheitsgeschichte, das Geheimnis von Teeanbau und Produktion zu rauben, durchzuführen.
Mit dem Zweitem-Opium Krieg (1856-60) wollte England das vom Taiping Bürgerkrieg geschwächte China unterwerfen. Aber der Aufstand der indischen Sapoy band viele der eigentlich nach China gesendeten Soldaten, sodass China noch so grade überlebte. Mit der Plünderung des Sommerpalastes und dem Niederbrennen der kaiserlichen Bibliothek vernichtete England das kulturhistorische Erbe tausender Jahre alter chinesischer Kultur. Man war sich auch nicht zu schade den entführten Pekinesen für Queen Victoria „Looty“, also „geklaut“ zu nennen.

Mehr:
Nick Robins: The Corporation that changed the word. How the East India Company shaped the Modern Multinational, 2012

Tee: Heilsbringer oder Gift. 200 Jahre Streit

Seit Jahrhunderten war Alkohol die Basis des britischen Durststillens. Durch den geringen Alkoholgehalt gab es keine großen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Probleme. Im 18. Jh. kamen hochprozentige Getränke in Mode. Aber eine betrunkene (Land)-Arbeiterschaft erwirtschaftete für die Oberschicht keinen Profit. Ein Grund Alternativen zu propagieren.

Im gesamten 18. und 19. Jh. diskutierte die englische Ober- und Mittelschicht, ob Tee für die Unterschicht ein angemessenes Getränk sei. Neben medizinischen und sozialen Argumenten wurden auch religiöse Faktoren diskutiert. Mediziner waren der Ansicht, dass u.a. die Temperatur der Körpersäfte für Krankheiten verantwortlich sei. Heiße Getränke könnten hier folglich schädigend wirken. Eine Betrachtungsweise war, dass Bibelfiguren, die nie heiße Getränke zu sich nahmen, uralt wurden. Ferner ist es ja in der Hölle sehr heiß und heißer Tee könnte so höllische Wirkungen haben.


Medizinischen Ansichten flossen widerstandslos in die Theologie. Hier war der Priester und Gründer der Methodisten John Wesley einer der prominentesten Vertreter. 1748 plädierte er für eine Abstinenz von allen Getränken, die den Geist beeinflussen. Er selbst sei durch Tee an nervösem Zittern erkrankt und erst der Verzicht auf Tee führte zur Heilung. Zwar nahm die Abstinenzbewegung vieler seiner Argumente auf, münzte diese dann aber rein auf alkoholische Getränke. Später wurde selbst Wesley ein Advokat für Teekonsum. Zwei Jahre später dominierte das Postulat vom Tee als Allheilmittel die Debatte.


1757 wiederum publizierte Jonas Hanaway, ein Philanthrop, dass Tee eine große soziale Gefahr sei. Massen der Armen verschuldeten sich für ihre Teesucht und viele der typisch weiblichen Krankheiten waren für ihn mit deren starken Teekonsum zu erklären. Ferner würden Mütter ihren Babys mit dem heißen Tee, der über das Stillen in deren Körper gelange, schwere Schäden zuführen. Es zirkulierte ein Pamphlet, welches die Reichen vor den nun faulen teetrinkenden Armen warnte. Jede Minute, die eine Arbeiterin Tee trinke, würde sie nicht für die Reichen arbeiten. Somit sollte man der Unterschicht Tee verbieten und sie auf gar keinen Fall mit gebrauchten Teeblättern bezahlen. Diese Teeweiber würden beim gemeinsamen Teetrinken über ihre Dienstherren lästern und das sei schädlich für das Ansehen der gesamten britischen Mittel- und Oberschicht. Die Antipode hierzu war zeitgleich Dr. Samuel Johnson. Er sah in der Tatenlosigkeit, dem sich bedienen lassen des Adels und deren Gier nach Luxus den Hauptgrund dafür, dass diese anfällig für Krankheiten waren. Er selbst sei starker Teetrinker und seit 20 Jahren gesund. Überdies hielt er das Reden und Lästern der Unterschichten bei einer Tasse Tee für weitaus harmloser als deren Rebellion gegen die Hungerlöhne. Der Streit zwischen Johnson und Hanway dauerte viele Jahresausgaben des „Literary Magazin“ an. Noch 1826 wurde deren Streit aufgegriffen als es darum ging die Royal Navy in Gänze mit Tee zu versorgen. Mittlerweile waren aber die Gegner von Tee in der Minderheit und sowohl Mediziner als auch Theologen hatten ihre Pro-Argumente im 19. Jh. verwissenschaftlicht. Tee war das britische Nationalgetränk geworden und man ließ keinen Zweifel an der heilenden Wirkung für den individuellen und Nationalkörper mehr zu.

Teehandel zwischen USA und China von 1784-1815

Mit der „Empress of China“ erreichte 1784 das erste US-Handelsschiff China. Dort wurde neben Silber auch Papiergeld und Handelskredite die meist mit Waren bezahlt wurden als Währung akzeptiert. Überdies lernte „der Westen“ hier das Prinzip von Versicherungen auf Handelsverträge kennen. So wurden auch die Waren der „Empress of China“ über Kredite und nicht mit Silber bezahlt. Als sie im Mai 1785 wieder in NY einlief machte der Tee an Board etwa 90 Prozent des Warenwertes aus. Neben Fellen war in China besonders der amerikanische Ginseng beliebt.
Da es in den ersten Dekaden für die USA schwer an Kredite zu kommen waren sie für die chinesische Hilfe zuerst dankbar. Ferner freuten sie sich, dass sie durch ihren China-Tee in Europa Zugang zum Kreditmarkt erhielten. Aufgrund des Bargeldmangels um 1800 war es für amerikanische Händler schwer an Dollar zu kommen. Somit waren Kredithandel und Bezahlung per Silber willkommene Alternativen. Dank dem wirtschaftlichen Kreditsystem war es für die US-Händler möglich den Handel und die Bezahlung der Waren zeitlich unabhängig voneinander zu gestalten. Außerdem konnte so das wenige Bargeld für die binnenwirtschaftliche Entwicklung der USA genutzt werden. Der Kredithandel mit China sah in der Regel so aus, dass man Tee u.a. auf Kredit kaufte und schriftlich versicherte diesen mit 1 Prozent Zinsen im Monat im nächsten Jahr zu bezahlen. Mit den Profiten wurden Ginseng, Felle und Silber gekauft umso bei der nächsten Schiffsreise die alten Kredite zu begleichen. Umgerechnet in heutigen Wert betrugen die Jahreskredite um 1800 rund 10 Milliarden Dollar. Bezahlten die US-Händler ihre Schulden nicht, verklagten die chinesischen Hong sie vor dem NY Kanzleigericht. Die meisten US-Händler meldeten darauf entweder Insolvenz an oder verklagten die Chinesen wegen angeblich minderwertigen Tee, den sie nicht zum erwarteten Preis verkaufen konnten. In der Regel gaben die US-Gerichte ihren Händler Recht und die chinesischen Kreditgeber gerieten in der Heimat in Zahlungsnot. Alleine der Consequa genannte Händler beklagte 1814 ausstehende Zahlungen in heutiger Höhe von 14 Mrd. Dollar nur aus Philadelphia.
US-Händler nutzten chinesische und europäische Schuldverschreibungen als Zahlungsmittel und tauschten beide untereinander aus. Im US-Handel galten die chinesischen Schuldscheine für US-Händler als genauso gutes Geld wie bare Münzen. Die US-Händler investierten ihre Gewinne in neue Schiffe, gründeten Banken oder intensivierten ihren Sklavenhandel. Andere kauften Textilfabriken oder tausende Hektar Land. Ab und an wurde auch Geld für private Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen ausgegeben.
Einfallstor für die USA zum europäischen Geldmarkt waren die Niederlande, die dem neuen Staat gerne gegen ihren alten Feind England finanziell zur Seite standen. Darüber hinaus nahmen Niederländer den China-Tee der US-Schiffe ab, um diesen in Europa teils illegal zu verkaufen. Die napoleonischen Kriege hatten den europäischen Import von Tee aus Asien unterbrochen und die USA nutzten diese Chance und transportierten etwa 15.000 t Tee zwischen 1790-1800 nach Europa. Nach dem US-Britischen Krieg von 1812-1815 organisierten sich einzelne Händler zu Gesellschaften und starteten damit erneut in den Chinahandel.

Tee-Plantagen und medizinische Versorgung. Die ersten Jahre in Indien

Seit Mitte des 19. Jhs. vergab die englische Verwaltung sogenanntes „Wasteland/Brachland“ für private agrarische Unternehmungen. Angebaut wurden Cash Crops wie Tee, Kaffee, Chinarinde, Apfel und Erdbeeren. Die Plantagen waren an der Peripherie des kolonialen Staates und galten als Enklaven kolonialistischer Traditionen.
In Sibsagar/Assam wurde der erste britische Teegarten aufgebaut. 1840 wurde der Versuchsgarten an die Aktiengesellschaft Assam Tea Company verkauft. Das Wort Teegarten steht hier für eine bewusste Romantisierung des angeblichen Kampfes der zivilisierten Teekultur gegen die wilde Natur. Neben originären Unternehmern waren viele aus dem kolonialen Dienst pensionierte Männer Leiter von Teeplantagen. Sie hatten einen medizinischen, militärischen oder Verwaltungshintergrund. Obwohl 1858 das Auktionieren des Lands von Darjeeling an Agrarunternehmungen begann, musste erst 1898 der Pächter nachweisen, dass er das „Brachland“ auch entwickeln konnte. Oft wurde somit einfach Land vom Staat gekauft, nur um es wenige Jahre später wieder teurer weiterzuverkaufen. Die vom Staat intendierte agrarische Kultivierung des Landes fand oft nicht statt. Bis in die Anfänge des 20. Jh. musste man 15 Prozent des Landes mit Tee bepflanzen und nur hierfür zahlte man Pacht. Für 100 ha Land mussten somit nur 15 ha bezahlt werden. Die umliegenden Wälder wurden in Teekisten und Feuerholz verwandelt. Neben Tee wurden in Doars besonders Senf, Reis, Jute und Tabak angebaut. Die Organisation der Arbeit hier war eher kleinbäuerlich als mit großen Plantagen. Arbeiter der Darjeeling-Plantagen waren meist Wanderarbeiter aus Nepal, die die Plantagen außerhalb der Saison nicht bewohnten. Dies war für die Besitzer günstiger als aus Süd-Indien Zwangsarbeiter ranzuschaffen. Dass viele Arbeiter nur zeitweise auf der Plantage arbeiteten und die restliche Zeit in Subsistenzwirtschaft in der Nähe lebten, war für die Doars Pflanzer ein moralischer Vorteil, da sie ja nicht auf Zwangsarbeit wie in Assam setzten. Aufgrund dieser offiziellen freien Arbeit war es in Darjeeling, Doars und Terai auf Seiten der Regierung nicht nötig im 20. Jh. gegen Zwangsarbeit vorzugehen. Ebenso gab es kaum Informationen oder Statistiken über diese Arbeiterschaft. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jh.s, indem viele Teeplantagen etabliert wurden, verdoppelte sich die Bevölkerung in diesen drei Regionen. Arbeiter wurde auch in verschiedenen Siedlungen untergebracht damit sich Krankheiten nicht so ausbreiten konnten und es keine Absprachen für mögliche Arbeitswiderstände gab.
Während es für die Europäer vor Ort bald Krankenhäuser geben sollte, war für die Einheimischen nur eine simple Notversorgung vorgesehen. Aber selbst Europäer hatten bis in die 1930er Schwierigkeiten eine adäquate Versorgung zu erhalten. Einige europäische Ärzte gehörten auch zur Kategorie „young fellows who could not get into the right thing at home“ und damit gab es hohe Bedenken hinsichtlich ihrer Qualifikation. Weiße Ärzte wurden nur aktiv wenn Epidemien und damit erhebliche Gewinneinbußen drohten.  Während in Darjeeling das Klima eher gesünder war, erlitten die europäisch gekleideten Engländer in Doars und Terai viele Tropenkrankheiten. Dies war aber ein wichtiger Teil ihrer Erzählung vom harten Pionier in der indischen Wildnis. Die Sterblichkeit war ihrem Heroismus immanent.
1881 erhielt mit der Jalpaiguri Tea Company die erste indische Firma einen Teegarten Namens Mogalkata Tea Estate mit einer Größe von 300 ha. Bis zur Unabhängigkeit gelang es indischen Unternehmen einen Anteil von knapp 20 Prozent in der Teeindustrie zu erreichen. Die indischen Pflanzer wurden nicht in die weißen Interessensvertretungen aufgenommen, kooperierten wenn nötig aber mit ihnen. Das Plantagenwesen veränderte aufgrund des Imports von Arbeitern nachhaltig die Demografie der nördlichen Regionen.

Mehr:
Nandini Bhattacharya: Contagion and Enclaves. Tropical Medicine in Colonial India. 2021, Liverpool University Press.

Chinesicher Schwarztee: kleine Übersicht

Einer chinesischen Legende nach wurde im Dorf Tong Mu, was dank dieser Legende heutzutage sehr hochpreisige Tees produziert, der Wucha (Schwarztee) oder auch Hongcha (Rottee) erfunden. Während der Ming-Dynastie im 14. bis 17 Jh. machten Soldaten auf ihrem Marsch nach Norden in Tong Mu halt und schliefen in einer Teefabrik auf Säcken frischer Teeblätter. Da sie sich im Schlaf hin und her rollten zerstörten sie die Blätter. Um die Blätter dennoch trinken zu können wurden sie danach von dem Teemeister erhitzt, etwas gerollt und geröstet. Dieser ruinierte Tee wurde sehr billig verkauft. Aber da er sehr köstlich war konnte der Farmer sich eine Saison später kaum vor Anfragen retten und bei der Auktion erreichte sein Tee Höchstpreise. Nach und nach stellten auch andere in Tong Mu Schwarztee her und halten sich noch heute für den Geburtsort von Schwarztee.
Aus dem ursprünglichen Teemissgeschick wurde mit der Zeit der beliebteste Tee der Welt. Auf dem Weg in die kolonialen Heimatländer der Teeflotten war es nicht möglich grünen Tee frisch zu halten. Oolongs und schwarze Tees bzw. Pu Ehrs waren hier einfach noch leckerer bei der Ankunft. Auch Rauchtee wurde vor Ort fast gar nicht konsumiert, aber als er dann ein Jahr später in Europa ankam, war er wohl genau richtig für die europäischen Gaumen. Je schneller der Transport wurde, desto weniger beliebt war der Rauchtee und er wurde erst vor ca. 20 Jahren als Rarität wieder erkannt.
Tee aus den Wuji Bergen war in England bald der beliebteste und wurde Bohea Tee genannt, weil man die Region anders nicht aussprechen konnte. Nach und nach imitierten andere Teeregionen dann den Schwarztee. In Zhengshan, wo die Wuji Berge sind, hatte ein Kultivar den Namen Xiaozhong was so viel wie wild und selten hieß. Aus beiden Wörtern machten Engländer Lapsang Souchong, was aber auch kleinblättriger Tee aus Zhengshan heißen kann.
Heute gilt Schwarztee in China als Rottee, da man eher Pu Ehrs als Schwarz bezeichnet. Keemun Schwarztee galt viele Jahrzehnte als Oolong Tee. Erst als nach und nach eine Klassifizierung entstand entschied man sich nach Herstellung zu benennen und der fertige Schwarztee schaut nun rot in der Tasse aus.

Qimen Hongcha wurde 1875 nachweislich das erste Mal produziert. Anhui war eine Grüntee Provinz und passte sich dem Weltmarkt mit dem Schwung zum Schwarztee an. Hu Yuanlong lernte in Jinagxi Schwarztee Produktion und produzierte dann als erster in seiner Rishun Teefabrik Schwarztee. Es ist heute die Königin der Schwarztees und ist mit dem fruchtigen Orchideen Aroma hochbeliebt.

Dianhong wurde 1938, während des zweiten chinesisch-japanischen Krieges vom geflüchteten Teemeister Feng Shaoqiu in Yunnan erfunden.  Es sind eher große Blätter die dortige Kultivare produzieren. Der hohe Theaflavin-Anteil sorgt in einer weißen Tasse für einen goldenen Rand. Dian steht als Kurzname für Yunnan und Hong für Hong-Cha. Mit diesem Tee, der über Pferdekarawanen nach Hong Kong gebracht wurde, konnte China Devisen erhalten. Es hieß, dass man mit einer Tonne Dianhong 10 Tonnen Stahl kaufen konnte.

JinJunMei wurde 1986 alleine für den Export erschaffen. Bis zum Jahr 2000 sank die Qualität und man konnte sich immer weniger gegen indischen Tee behaupten. Auch auf dem nationalen Markt erreichte dieser Tee kaum Beliebtheit. 2005 wurde dann die goldene Augenbraue JinJunMei vom Teemeister Zhengshan Xiaozhang Jiang Yuanxun kreiert. Rund 70.000 Knospen werden zu 500g Tee verarbeitet. Dank seiner besonders zarten Süße war der Tee in China sofort ein Verkaufsschlager und erzeugte eine Sogwirkung von Schwarztees in China.

Gong Fu Cha: Die Erfindung einer Jahrtausende alten chinesischen Teetradition

Geht man heute in einen chinesischen Teeladen um ein Teeset zu kaufen, so findet man kleine Teepötte aus Ton, einen Gai-Wan (Schale mit Deckel), ein hölzernes Teebrett mit Wasserfänger, kleine Teetassen, hohe Riechtassen, einen Gong Dai Bao (Servierkanne), Teeschaufeln und Löffel. Diese ganzen Utensilien sind angeblich uralte Bestandteile des Gong Fu Cha: Der elaborierten Kunst Tee zu trinken. Im Vergleich zum westlichen Teetrinken verwendet man für die benutzte Menge Wasser eine große Portion Teeblätter. Die Ziehzeit liegt unter einer Minute und die Blätter können mehrfach verwendet werden. Aber weder ist dies eine Zeremonie, noch hätte vor etwa 30 Jahren die Mehrzahl der Chinesen gewusst, was denn Gong Fu Cha sein soll. Nur weil man auf eine bestimmte Art Tee trinkt, ist es keine Zeremonie. Die Handlungen haben keine andere Bedeutung als die reine Zubereitung des Tees. Gong Fu Cha ist nachweisbar in einigen Regionen der süd-chinesischen Provinz Fujian eine beliebte Möglichkeit gewesen Tee zu trinken. Es gab aber selbst in diesem Gebiet andere Trinkpraktiken – ganz zu schweigen von anderen Provinzen. Also ist Gong Fu Cha weder traditionell noch chinesisch?

Das lose Teeblatt mit Wasser aufzugießen ist die Art des Teetrinkens, wie sie im China der Ming-Dynastie (1386-1644) an Bedeutung gewann. Vorher wurde das zermahlene Blatt getrunken oder gar gegessen. In einem Kochbuch, in dem regionale Besonderheiten vorgestellt wurden, war der Autor noch 1750 von der Art Tee zu trinken überrascht, wie es im südlichen Fujian der Fall war. Da ihm der Tee so aber außerordentlich gut schmeckte, verbreitete sich das Wissen (nicht die Praktik) dieses Vorläufers des Gong Fu Cha (kl. Teepott, kl. Tassen, viel Blattmasse). Das Wort Gong Fu Cha wurde um 1800 das erste Mal in der Beschreibung der Region Guangdong in Fujian benutzt. Wobei der Autor so befremdlich schrieb, dass es eindeutig war, dass er es bei seiner bisherigen Reise durch China noch nie gesehen hatte. Selbst in einem Bericht über chinesischen Tee von 1937 war noch zu lesen, dass Gong Fu Cha nur im südlichen China von Kennern bester Tees verwendet wird. Weder beim „normalen“ Volk, noch in anderen Regionen sei dies bekannt. 1957 wurde ein nicht-veröffentlichtes, jedoch kürzlich in einem Archiv entdecktes Dokument verfasst, was die Einzigartigkeit des Gong Fu Cha für Fujian herausstellt und damit aussagt, dass es in allen anderen Provinzen keine Bedeutung hatte. In dem 1971 publizierten Buch „Die Art des Teetrinkens“ wird Gong Fu Cha ebenfalls noch als eine regionale Besonderheit des südlichen Fujian dargestellt. Von einer nationalen Besonderheit ist hier nicht die Rede.

Ähnliches gilt für die Erkenntnisse zum Wort Cha-yi, also der Kunst des Tees bzw. der Kunst Tee zuzubereiten. In Wörterbüchern der 1960er Jahren gibt es diesen Terminus nicht. Erst am Ende der 1990er Jahre wird Cha-yi aufgeführt, aber ohne einen Hinweis darauf, dass es sich hier um einen Neologismus (Wortneuschöpfung) handelt. Die Bedeutung, die hinter dem Wort steht, müsste eigentlich mit Cha-Dao bezeichnet werden. Da dies aber an das japanische Cha-Do erinnert, erfand man das Wort Cha-yi.

Die Teekunsthäuser in Taiwan, in denen Tee in Ruhe genossen werden kann und oft kulturelle Veranstaltungen stattfinden, heißen übrigens Cha-yi-guan. Die traditionellen chinesischen und damit auch taiwanesischen Teehäuser wurden oft mit Kriminalität, Glückspiel und Prostitution in Verbindung gebracht. Diese neuen Teekunsthäuser hatten rund 10 Jahre mit dem Ruf der alten Teehäuser zu kämpfen und waren Pioniere darin, ihren Umgang mit Tee als moderne Interpretation alter Traditionen darzustellen. Somit konnten moderne Gäste sich selbst versichern nicht mit Traditionen zu brechen, während ältere Gäste ihre Traditionen im neuen Zeitgeist meinten wiederzuerkennen. Damit nun eine nationale Antwort auf Japans Cha-do gefunden werden konnte, diskutierte man, welche chinesische Art Tee zu trinken denn die ästhetische sei.

Insgesamt blickte man um 1990 aus China neidisch auf die nationale Tee-Identität Japans und welche weltweiten Vorteile aus dem Bild des japanischen Teetrinkers bspw. im Tourismus gewonnen wurden. Ähnlich mürrisch wurde der Werbeerfolg des englischen Afternoon-Teas und des amerikanischen Ice Teas beobachtet. Während diese drei Länder Erfolge durch ihre Teekultur feierten, standen Chinesen uneins um ihren Tee herum. Ihr Tee war aber doch der erste Tee der Welt. Sie hatten doch Tee erfunden und alle anderen haben es nur von ihnen geklaut. Diese Erniedrigung wollte man nicht länger hinnehmen und der Welt zeigen wie alt die chinesische Teekunst ist. Hierfür musste nun schnell in den entstehenden Cha-yi-guan eine historische Konstruktion her, um darzustellen wie der Chinese seit Jahrtausenden schon seinen Tee genießt und damit eine weitaus tiefere Historie besitzt, als das benachbarte Japan. So wurde erst der Begriff der chinesischen Teekunst (Cha-yi) geschaffen und dann mit Inhalt gefüllt.

Hierbei war Taiwan immer wieder eine wichtige Station. Während China Taiwan als Teil von sich betrachtete, sah sich Taiwan als Bewahrer der chinesischen Traditionen in Zeiten, in denen das Festland von Kommunisten beherrscht wird. So gründete sich in Taiwan der Verband der traditionellen chinesischen Teekunst, dessen Aufgabe es war die alten chinesische Teekunst wiederzubeleben. Aber es gab historisch gesehen nicht die eine Teekunst die man hätte wiederbeleben können. Es gab nicht mal ein Verständnis von Teekunst. Das einzige was man in den mitgenommen Büchern (Taiwan = Flüchtlinge vom chin. Festland) finden konnte, war das Gong Fu Cha aus dem Süden von Fujian. Gong Fu Cha war ferner die einzige Art und Weise Tee zu trinken, bei der man mehrere Utensilien und etwas Erfahrung benötigte, um ein schmackhaftes Getränk zu erhalten. Somit war Gong Fu Cha überhaupt die einzige Möglichkeit, um eine neue komplexe Teekunst, aus den real ja gar nicht vorhandenen alten Vorbildern zu konstruieren. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Gong Fu Cha in Taiwan war, dass viele Taiwanesen ursprünglich im südlichen Fujian wohnten. Taiwan stieg in den 1970er Jahren zu einem der führenden asiatischen Länder auf. Während dieses Fortschrittes wollte man seinen wirtschaftlichen Erfolg auch kulturell untermauern. Da richtiges Teetrinken für alle wichtig war, wollte man immer mehr seines wachsenden verfügbaren Einkommens in Tee investieren. Sich einen besonders legendenreichen historischen Tee leisten zu können, wurde zu einem Statussymbol der taiwanesischen Elite. Man konnte sich durch exquisite Tees und besondere Utensilien von ärmeren Mitmenschen unterscheiden. Ohne eine breit akzeptierte Teetradition wäre dies nicht möglich gewesen. Somit hatten die Käufer ein genauso großes Interesse daran, an einer angeblich tausend Jahre alten Tradition mitzuwirken, wie die Verkäufer der angeblich ach so tradierten Utensilien und Tees.

Mit der steigenden Beliebtheit des Cha-yi  in Taiwan und China merkten Japaner, dass ihr geliebtes Cha-do nicht mehr die einzige asiatische und im Westen gut zu bewerbenden Teetradition war. Cha-yi orientierte sich aber eher am Sen-chado. Hierbei werden ganze Blätter verwendet, während beim Cha-do gemahlene Blätter verwendet werden. Sen-chado hatte absichtlich seine chinesischen Ursprünge etwas vergessen und geriet nun in Gefahr seinerseits nur als Kopie des Cha-yi dazustehen. Es geht hierbei aber objektiv nur darum, dass Japaner im 17. Jahrhundert gelernt hatten, dass man auch ganze Blätter zubereiten kann. Der Cha-do basiert ja auf dem Teewissen, das Japanern um 800 von chinesischen Mönchen vermittelt worden war. Zu dieser Zeit trank man einen flüssigen Brei bestehend aus den zermahlten Teeblättern.

Ähnlich wie dem Cha-do begannen nun selbsternannte Teemeister in Taiwan und China zu diskutieren, an welchem Platz denn welches Utensil zu stehen habe und in welche Reihenfolge sie wie benutzt werden müssten. Hierbei diskutierte man auch – fern jeglicher historischer Vorbilder – über die korrekte traditionelle Bewegung von Hand und Arm. Man erschuf sich selbst ein historisches Vorbild dessen Perfektion man anstrebte, um sich dann Meister nennen zu können. Es war nun nötig ein Ritual zu kreieren, dass nicht nur praktikabel war, sondern möglichst ästhetisch aussah. Nachdem man sich also geeinigt hatte, dass Gong Fu Cha das traditionelle Teetrinken ist, erfand und einigte man sich auf das Cha-xi (die Anordnung der Utensilien und Ablauf der Zeremonie). So konnte man nun, wie in Japan, Bücher herausbringen und Kurse anbieten, in denen interessierte Teetrinker lernen konnten, wie man es „richtig chinesisch“ macht.

In Taiwan erfand man die Riechtassen (wen xiang bei) und es gelang ihnen sogar die Ansicht weltweit zu verbreiten, dass diese eigentlich unnützen Objekte schon immer dazugehörten. In den 1980er Jahren wurde auch der Gong dao bei (Servierkanne) erfunden. Wobei es sich hierbei sogar um ein nützliches Objekt handelt. In dieser kleinen Kanne wird der Tee aus der Teekanne (Cha-hu) gefüllt, damit alle einen homogenen Aufguss genießen. Gießt man aus der Cha-hu in die Tassen, hätten die ersten Tassen eine andere Zusammensetzung als die letzten Tassen, da diese länger und direkter mit den Teeblättern in Kontakt waren. Beide neuen Objekte sind heute meist nur dort in China vorhanden, in denen sich Touristen aufhalten. Diesen zeigt man dann gerne das traditionelle vollständige Teeservice. In den meisten Haushalten ist man dagegen praktischer veranlagt und verwendet nicht alle dieser angeblich alten Objekte. In Taiwan ist man mittlerweile davon überzeugt, dass beide Objekte eine reiche Tradition besitzen.

Alle diese neuen Erfindungen rund um Tee führten dazu, dass man Tee nicht mehr einfach so irgendwo zwischendurch trinken konnte. Am besten ging man hierfür in ein Teekunsthaus und die Besitzer dieser Häuser waren ja auch die Initiatoren der Cha-yi Bewegung. Im Jahr 2000 und 2002 publizierte der Chinese Cai Bücher über Cha-dao, was nichts anderes als Cha-yi ist aber nun offen in Konkurrenz zum japanischen Cha-do trat. Mittlerweile war das nationale chinesische Bewusstsein so ausgeprägt, dass man es auch auf dem Feld „Teetradition“ mit Japan aufnehmen konnte und wollte. Während man also in den 1980er die Japaner dafür neidisch bewunderte, vergaß man nun, dass man ihren Cha-do mit dem Cha-yi plagatiert hatte und setzte Cha-dao als genauso alte und umfangreiche Teekultur neben das Cha-do. Im Cha-do sind die wichtigsten Prinzipien: Harmonie, Respekt, Reinheit und Stille. Dies ist natürlich auch eine sozio-politische Konstruktion. Den Teemeistern im 16. Jahrhundert war es daran gelegen die Aufstände gegen ihre Kaiser einzudämmen. Jeder, der nun kriegerisch agierte, verstieß also gegen die erfundenen und als uralt dargestellten friedlichen Grundprinzipien der Chanyou (japn. Teezeremonie).

Im Cha-dao gab es nun (um 2000) auch auf einmal wichtige Grundprinzipien diese wurden mit Schönheit, Gesundheit, Kultiviertheit, Ethik oder auch Harmonie, Sparsamkeit, Ruhe und Sauberkeit benannt. Da man auf einmal genauso gutklingende Prinzipien wie die Japaner hatte, zweifelte niemand, der sein Geld mit dem guten Bild des friedliebenden chinesischen Teetrinkers verdiente, an der historischen Authentizität dieser neuen Erfindung.  In den neuesten Büchern (seit 2000) wird als Ursprung des Gong Fu Cha nun das Cha-yi bennant. Kein Wort davon, dass Gong Fu Cha schon seit Jahrhunderten in Süd-Fujian, aber halt auch nur dort, praktiziert wurde – natürlich ohne die modernen hinzuinterpretierten Praktiken und Utensilien.

Seit dem Jahr 2000 hat die taiwanesische Ten Ren Gruppe unter verschiedenen Namen tausende Teegeschäfte in China eröffnet und trägt entscheidend zur Verbreitung des Gong Fu Cha Mythos bei. Überall wird Gong Fu Cha als Inkarnation des alten mächtigen China gefeiert und mittlerweile die zweite Käufergeneration belehrt, dass sie mit ihrem Geld im Laden die uralte nationale Teetradition stärken. Den meisten Chinesen ist aber nicht einmal bewusst, dass die Läden einer Firma aus Taiwan gehören. 

Die angebliche lange Tradition des Gong Fu Cha wird sogar wissenschaftlich untermauert: Historiker der staatlichen Shantou Universität in China haben in einem mehrjährigen Forschungsprojekt so viele historische Quellen absichtlich falsch interpretiert oder Zitate ohne Kontext in den Vordergrund gestellt, dass es nach ihrer Aussage keinen Zweifel mehr daran gibt, dass das moderne Gong Fu Cha „das wahrhaftige Wiederaufleben der chinesischen Teetradition ist, die das Land über Jahrtausende zusammenhielt“. Menschen, die korrekterweise darauf hinweisen, dass man frühesten im 15. Jahrhundert das ganze Blatt zum Tee nutze und somit es gar keine Tausend Jahre alte Tradition gibt, werden mindestens mit der Sicherheit ihrer Arbeitsstelle bedroht. Andere weisen darauf hin, dass Lu Yu um das Jahr 800, in dem heute ältesten erhaltenem Werk über Tee, eine Art des Trinkens beschreibt (Pulver mit Gewürzen kochen), die eher mit dem „alten“ Tibet als dem Gong Fu Cha in Verbindung gebracht werden könnte.

Vielmehr ist Gong Fu Cha das Ergebnis der Leere die die Kulturrevolution mit ihrem menschlichen und kulturellen Genozid hinterließ. Als in den 1980ern China der Welt wieder geöffnet wurde, bediente man sich beim Nachbarn Taiwan, dem angeblichen Bewahrer der chinesischen Teetradition, und erfand ein das Volk uniformierendes historisches Vorbild. Ferner konnten die wirtschaftlichen Aufsteiger im China der 1990er Jahre nun genauso ihr Geld in die Teewelt investieren, wie es zuvor schon die neureichen Taiwanesen getan hatten.

Es wäre also heute aus historischer Sicht wesentlich spannender den wirklich vorhandenen verschiedenen Teekulturen nachzuspüren, als alle Hinweise hierauf zu vernichten und Gong Fu Cha zu rechtfertigen. China beraubt sich damit in den letzten 20 Jahren selbst seiner historischen Vielfalt.

Genauso wie der durchschnittliche Japaner zwar den Cha-do kennt und  keine Chanyou durchführen kann, da man hierfür ja viele Jahre des Trainings benötigt, kennt jeder Chinese Gong Fu Cha. Aber auch er kann kein Meister sein. Hierfür bräuchte er ja auch jahrelanges Training. Die Teemeister und Teeverkäufer haben es also zusammen mit der nationalistischen politischen Elite geschafft eine Kultur durchzusetzen, in der der normale Bürger ihnen hohen Respekt zollt – für die Durchführung eines selbstkonstruierten Rituals.  Von allen sechs Teesorten ist Pu-Ehr (vom reinen Blatttyp) übrigens am besten für die Gong Fu Cha Utensilien geeignet. So ist es kein Wunder, dass er sich immer höherer Beliebtheit erfreut und selbst neuere Ernten immer teurer werden. Denn wer möchte nicht so Tee trinken, wie es die Vorfahren schon vor Urzeiten getan haben.

Seit etwa 20 bis 30 Jahren benutzt man also Gong Fu Cha, um durch die tagtägliche Wiederholung des Rituals langsam eine homogene Nation zu erschaffen und damit eine Identität zu kreieren, der sich niemand verschließen kann – denn wer mag schon keinen Tee.

Mehr:

Lawrence Zhang, Universität Hong Kong, „A Foreign Infusion. The Forgotten Legacy Of Japanese Chado on Modern Chinese Tea Arts“.

Aged White Tea“ – Eine Lüge der chinesischen Teeindustrie ?

Dem Teekenner/Blogger/ Cody „OolongDrunk“ fiel während eines Workshops mit dem Inhaber von „One River Tea“ auf, dass alle gealterten weißen Tees, die in den einschlägigen Online-Shops verfügbar waren, aus den Jahren nach 2011 kamen und die derzeit neusten alten weißen Tees alle ca. 7 Jahre alt waren. Optisch fallen die alten Weißen durch mehr braune Blätter auf. Produzenten von „One River Tea“ erklärten ihm, dass weißer Tee entweder grünlich produziert werden kann oder bräunlich. Grün ist in diesem Falle die traditionelle Pflückung und Sonnentrocknung mit dünn verteilten Blättern auf Bambusmatten oder Körben. Bei der neuen braunen Methode werden Blatthaufen an der Sonne getrocknet und die hohe Hitze im Blatthaufen lässt die Blätter stärker oxidieren und Wasser verlieren. Den eher braunen Weißen zu produzieren erfordert weniger handwerkliches Geschick und macht es möglich eine höhere Blattmasse herzustellen.

In der großen Weißtee Anbauregion Fuding exisitert der Slogan „One Year Tea, Three Year Medicine, Seven Year Treasure“. Somit könnte man meinen, dass es einfach eine auf langjähriger Erfahrung basierende Weisheit ist, dass sieben Jahre alter weißer Tee der Beste ist. In vielen Gesprächen mit Betreibern chinesischer Online-Teeshops fand Cody heraus, dass ihnen diese Weisheit erst seit ca. 2010 bekannt ist – keine Spur von uralter Teeweisheit.  Verantwortlich für die Regel ist Chen Xinghua, der ehemalige Distriktleiter der KP aus Fuding. Er hatte seit 2007 eine Kommission unter seiner Kontrolle, die die Agrarwirtschaft von Fuding stärken sollte. Da Weißtee aus dieser Region schon bekannt war, baute man diese Präsenz medial stark aus und förderte die Weißtee-Produktion mit staatlichen Krediten. Auf allen großen Teemessen wurde Fuding Weißtee enorm beworben. Die Zahl der Produzenten von Weißtee in Fuding stieg innerhalb von 5 Jahren von 11 auf 400.
Im Jahr 2017 hatte sich schließlich die Fuding Weißtee Industrie international etabliert. Sie verkauften aber nicht nur neue Ernten, sondern gaben den Kunden nun exklusiv die Möglichkeit den bisherigen Geheimtipp „age white tea“ zu probieren. Der sieben Jahre alte Schatz waren also Ernten von 2010/11, die nun jahrelang zur Perfektion gereift worden waren. Mittlerweile verkaufte sich sowohl in China als auch International der braune Weißtee erfolgreicher, da dieser ja alt ist und damit besser als der frische Tee. Teebauern, regionale Händler und Fabrikbesitzer erzählen genau wie die internationalen Händler die Geschichten vom „Treasure“ des alten Weiß-Tees. Sie alle profitieren finanziell von seiner Beliebtheit – denn er ist ja einfach in Masse herzustellen und dann teuer zu verkaufen. Da die Bauern aber auch ihre Staatskredite zurückzahlen müssen und von der Lokalregierung unter Druck gesetzt werden, sind sie vielleicht nur aus Schuldendruck auf die Idee gekommen alten weißen Tee als regionalen Geheimtipp nun international gewinnbringend zu verkaufen.

Zwischenhändler und Online-Shops geben aber das Märchen vom alten Weißtee weiter an die Kunden und keiner nahm seine alten Weißtees aus dem Sortiment als Cody sie auf diese gefälschten Tees hinwies. Cody sprach mit vielen Bekannten auf der World Tea Expo und stellte fest, dass sich niemand „mit Sicherheit“ an „aged white tea“ vor 2010 erinnern konnte. Er versuchte herauszufinden wie man echten gealterten Tee und gefälschten unterscheiden kann. Aber weder Preis, Provenienz noch Geschmack erwiesen sich als zuverlässige Parameter. So oder so stellte Cody fest, dass ihm sein gefälschter Tee zu Hause dennoch schmeckt und das sei doch das Wichtigste?

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