Beiträge über Tee und seine Geschichte

Gong Fu Cha: Die Erfindung einer Jahrtausende alten chinesischen Teetradition

Geht man heute in einen chinesischen Teeladen um ein Teeset zu kaufen, so findet man kleine Teepötte aus Ton, einen Gai-Wan (Schale mit Deckel), ein hölzernes Teebrett mit Wasserfänger, kleine Teetassen, hohe Riechtassen, einen Gong Dai Bao (Servierkanne), Teeschaufeln und Löffel. Diese ganzen Utensilien sind angeblich uralte Bestandteile des Gong Fu Cha: Der elaborierten Kunst Tee zu trinken. Im Vergleich zum westlichen Teetrinken verwendet man für die benutzte Menge Wasser eine große Portion Teeblätter. Die Ziehzeit liegt unter einer Minute und die Blätter können mehrfach verwendet werden. Aber weder ist dies eine Zeremonie, noch hätte vor etwa 30 Jahren die Mehrzahl der Chinesen gewusst, was denn Gong Fu Cha sein soll. Nur weil man auf eine bestimmte Art Tee trinkt, ist es keine Zeremonie. Die Handlungen haben keine andere Bedeutung als die reine Zubereitung des Tees. Gong Fu Cha ist nachweisbar in einigen Regionen der süd-chinesischen Provinz Fujian eine beliebte Möglichkeit gewesen Tee zu trinken. Es gab aber selbst in diesem Gebiet andere Trinkpraktiken – ganz zu schweigen von anderen Provinzen. Also ist Gong Fu Cha weder traditionell noch chinesisch?

Das lose Teeblatt mit Wasser aufzugießen ist die Art des Teetrinkens, wie sie im China der Ming-Dynastie (1386-1644) an Bedeutung gewann. Vorher wurde das zermahlene Blatt getrunken oder gar gegessen. In einem Kochbuch, in dem regionale Besonderheiten vorgestellt wurden, war der Autor noch 1750 von der Art Tee zu trinken überrascht, wie es im südlichen Fujian der Fall war. Da ihm der Tee so aber außerordentlich gut schmeckte, verbreitete sich das Wissen (nicht die Praktik) dieses Vorläufers des Gong Fu Cha (kl. Teepott, kl. Tassen, viel Blattmasse). Das Wort Gong Fu Cha wurde um 1800 das erste Mal in der Beschreibung der Region Guangdong in Fujian benutzt. Wobei der Autor so befremdlich schrieb, dass es eindeutig war, dass er es bei seiner bisherigen Reise durch China noch nie gesehen hatte. Selbst in einem Bericht über chinesischen Tee von 1937 war noch zu lesen, dass Gong Fu Cha nur im südlichen China von Kennern bester Tees verwendet wird. Weder beim „normalen“ Volk, noch in anderen Regionen sei dies bekannt. 1957 wurde ein nicht-veröffentlichtes, jedoch kürzlich in einem Archiv entdecktes Dokument verfasst, was die Einzigartigkeit des Gong Fu Cha für Fujian herausstellt und damit aussagt, dass es in allen anderen Provinzen keine Bedeutung hatte. In dem 1971 publizierten Buch „Die Art des Teetrinkens“ wird Gong Fu Cha ebenfalls noch als eine regionale Besonderheit des südlichen Fujian dargestellt. Von einer nationalen Besonderheit ist hier nicht die Rede.

Ähnliches gilt für die Erkenntnisse zum Wort Cha-yi, also der Kunst des Tees bzw. der Kunst Tee zuzubereiten. In Wörterbüchern der 1960er Jahren gibt es diesen Terminus nicht. Erst am Ende der 1990er Jahre wird Cha-yi aufgeführt, aber ohne einen Hinweis darauf, dass es sich hier um einen Neologismus (Wortneuschöpfung) handelt. Die Bedeutung, die hinter dem Wort steht, müsste eigentlich mit Cha-Dao bezeichnet werden. Da dies aber an das japanische Cha-Do erinnert, erfand man das Wort Cha-yi.

Die Teekunsthäuser in Taiwan, in denen Tee in Ruhe genossen werden kann und oft kulturelle Veranstaltungen stattfinden, heißen übrigens Cha-yi-guan. Die traditionellen chinesischen und damit auch taiwanesischen Teehäuser wurden oft mit Kriminalität, Glückspiel und Prostitution in Verbindung gebracht. Diese neuen Teekunsthäuser hatten rund 10 Jahre mit dem Ruf der alten Teehäuser zu kämpfen und waren Pioniere darin, ihren Umgang mit Tee als moderne Interpretation alter Traditionen darzustellen. Somit konnten moderne Gäste sich selbst versichern nicht mit Traditionen zu brechen, während ältere Gäste ihre Traditionen im neuen Zeitgeist meinten wiederzuerkennen. Damit nun eine nationale Antwort auf Japans Cha-do gefunden werden konnte, diskutierte man, welche chinesische Art Tee zu trinken denn die ästhetische sei.

Insgesamt blickte man um 1990 aus China neidisch auf die nationale Tee-Identität Japans und welche weltweiten Vorteile aus dem Bild des japanischen Teetrinkers bspw. im Tourismus gewonnen wurden. Ähnlich mürrisch wurde der Werbeerfolg des englischen Afternoon-Teas und des amerikanischen Ice Teas beobachtet. Während diese drei Länder Erfolge durch ihre Teekultur feierten, standen Chinesen uneins um ihren Tee herum. Ihr Tee war aber doch der erste Tee der Welt. Sie hatten doch Tee erfunden und alle anderen haben es nur von ihnen geklaut. Diese Erniedrigung wollte man nicht länger hinnehmen und der Welt zeigen wie alt die chinesische Teekunst ist. Hierfür musste nun schnell in den entstehenden Cha-yi-guan eine historische Konstruktion her, um darzustellen wie der Chinese seit Jahrtausenden schon seinen Tee genießt und damit eine weitaus tiefere Historie besitzt, als das benachbarte Japan. So wurde erst der Begriff der chinesischen Teekunst (Cha-yi) geschaffen und dann mit Inhalt gefüllt.

Hierbei war Taiwan immer wieder eine wichtige Station. Während China Taiwan als Teil von sich betrachtete, sah sich Taiwan als Bewahrer der chinesischen Traditionen in Zeiten, in denen das Festland von Kommunisten beherrscht wird. So gründete sich in Taiwan der Verband der traditionellen chinesischen Teekunst, dessen Aufgabe es war die alten chinesische Teekunst wiederzubeleben. Aber es gab historisch gesehen nicht die eine Teekunst die man hätte wiederbeleben können. Es gab nicht mal ein Verständnis von Teekunst. Das einzige was man in den mitgenommen Büchern (Taiwan = Flüchtlinge vom chin. Festland) finden konnte, war das Gong Fu Cha aus dem Süden von Fujian. Gong Fu Cha war ferner die einzige Art und Weise Tee zu trinken, bei der man mehrere Utensilien und etwas Erfahrung benötigte, um ein schmackhaftes Getränk zu erhalten. Somit war Gong Fu Cha überhaupt die einzige Möglichkeit, um eine neue komplexe Teekunst, aus den real ja gar nicht vorhandenen alten Vorbildern zu konstruieren. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Gong Fu Cha in Taiwan war, dass viele Taiwanesen ursprünglich im südlichen Fujian wohnten. Taiwan stieg in den 1970er Jahren zu einem der führenden asiatischen Länder auf. Während dieses Fortschrittes wollte man seinen wirtschaftlichen Erfolg auch kulturell untermauern. Da richtiges Teetrinken für alle wichtig war, wollte man immer mehr seines wachsenden verfügbaren Einkommens in Tee investieren. Sich einen besonders legendenreichen historischen Tee leisten zu können, wurde zu einem Statussymbol der taiwanesischen Elite. Man konnte sich durch exquisite Tees und besondere Utensilien von ärmeren Mitmenschen unterscheiden. Ohne eine breit akzeptierte Teetradition wäre dies nicht möglich gewesen. Somit hatten die Käufer ein genauso großes Interesse daran, an einer angeblich tausend Jahre alten Tradition mitzuwirken, wie die Verkäufer der angeblich ach so tradierten Utensilien und Tees.

Mit der steigenden Beliebtheit des Cha-yi  in Taiwan und China merkten Japaner, dass ihr geliebtes Cha-do nicht mehr die einzige asiatische und im Westen gut zu bewerbenden Teetradition war. Cha-yi orientierte sich aber eher am Sen-chado. Hierbei werden ganze Blätter verwendet, während beim Cha-do gemahlene Blätter verwendet werden. Sen-chado hatte absichtlich seine chinesischen Ursprünge etwas vergessen und geriet nun in Gefahr seinerseits nur als Kopie des Cha-yi dazustehen. Es geht hierbei aber objektiv nur darum, dass Japaner im 17. Jahrhundert gelernt hatten, dass man auch ganze Blätter zubereiten kann. Der Cha-do basiert ja auf dem Teewissen, das Japanern um 800 von chinesischen Mönchen vermittelt worden war. Zu dieser Zeit trank man einen flüssigen Brei bestehend aus den zermahlten Teeblättern.

Ähnlich wie dem Cha-do begannen nun selbsternannte Teemeister in Taiwan und China zu diskutieren, an welchem Platz denn welches Utensil zu stehen habe und in welche Reihenfolge sie wie benutzt werden müssten. Hierbei diskutierte man auch – fern jeglicher historischer Vorbilder – über die korrekte traditionelle Bewegung von Hand und Arm. Man erschuf sich selbst ein historisches Vorbild dessen Perfektion man anstrebte, um sich dann Meister nennen zu können. Es war nun nötig ein Ritual zu kreieren, dass nicht nur praktikabel war, sondern möglichst ästhetisch aussah. Nachdem man sich also geeinigt hatte, dass Gong Fu Cha das traditionelle Teetrinken ist, erfand und einigte man sich auf das Cha-xi (die Anordnung der Utensilien und Ablauf der Zeremonie). So konnte man nun, wie in Japan, Bücher herausbringen und Kurse anbieten, in denen interessierte Teetrinker lernen konnten, wie man es „richtig chinesisch“ macht.

In Taiwan erfand man die Riechtassen (wen xiang bei) und es gelang ihnen sogar die Ansicht weltweit zu verbreiten, dass diese eigentlich unnützen Objekte schon immer dazugehörten. In den 1980er Jahren wurde auch der Gong dao bei (Servierkanne) erfunden. Wobei es sich hierbei sogar um ein nützliches Objekt handelt. In dieser kleinen Kanne wird der Tee aus der Teekanne (Cha-hu) gefüllt, damit alle einen homogenen Aufguss genießen. Gießt man aus der Cha-hu in die Tassen, hätten die ersten Tassen eine andere Zusammensetzung als die letzten Tassen, da diese länger und direkter mit den Teeblättern in Kontakt waren. Beide neuen Objekte sind heute meist nur dort in China vorhanden, in denen sich Touristen aufhalten. Diesen zeigt man dann gerne das traditionelle vollständige Teeservice. In den meisten Haushalten ist man dagegen praktischer veranlagt und verwendet nicht alle dieser angeblich alten Objekte. In Taiwan ist man mittlerweile davon überzeugt, dass beide Objekte eine reiche Tradition besitzen.

Alle diese neuen Erfindungen rund um Tee führten dazu, dass man Tee nicht mehr einfach so irgendwo zwischendurch trinken konnte. Am besten ging man hierfür in ein Teekunsthaus und die Besitzer dieser Häuser waren ja auch die Initiatoren der Cha-yi Bewegung. Im Jahr 2000 und 2002 publizierte der Chinese Cai Bücher über Cha-dao, was nichts anderes als Cha-yi ist aber nun offen in Konkurrenz zum japanischen Cha-do trat. Mittlerweile war das nationale chinesische Bewusstsein so ausgeprägt, dass man es auch auf dem Feld „Teetradition“ mit Japan aufnehmen konnte und wollte. Während man also in den 1980er die Japaner dafür neidisch bewunderte, vergaß man nun, dass man ihren Cha-do mit dem Cha-yi plagatiert hatte und setzte Cha-dao als genauso alte und umfangreiche Teekultur neben das Cha-do. Im Cha-do sind die wichtigsten Prinzipien: Harmonie, Respekt, Reinheit und Stille. Dies ist natürlich auch eine sozio-politische Konstruktion. Den Teemeistern im 16. Jahrhundert war es daran gelegen die Aufstände gegen ihre Kaiser einzudämmen. Jeder, der nun kriegerisch agierte, verstieß also gegen die erfundenen und als uralt dargestellten friedlichen Grundprinzipien der Chanyou (japn. Teezeremonie).

Im Cha-dao gab es nun (um 2000) auch auf einmal wichtige Grundprinzipien diese wurden mit Schönheit, Gesundheit, Kultiviertheit, Ethik oder auch Harmonie, Sparsamkeit, Ruhe und Sauberkeit benannt. Da man auf einmal genauso gutklingende Prinzipien wie die Japaner hatte, zweifelte niemand, der sein Geld mit dem guten Bild des friedliebenden chinesischen Teetrinkers verdiente, an der historischen Authentizität dieser neuen Erfindung.  In den neuesten Büchern (seit 2000) wird als Ursprung des Gong Fu Cha nun das Cha-yi bennant. Kein Wort davon, dass Gong Fu Cha schon seit Jahrhunderten in Süd-Fujian, aber halt auch nur dort, praktiziert wurde – natürlich ohne die modernen hinzuinterpretierten Praktiken und Utensilien.

Seit dem Jahr 2000 hat die taiwanesische Ten Ren Gruppe unter verschiedenen Namen tausende Teegeschäfte in China eröffnet und trägt entscheidend zur Verbreitung des Gong Fu Cha Mythos bei. Überall wird Gong Fu Cha als Inkarnation des alten mächtigen China gefeiert und mittlerweile die zweite Käufergeneration belehrt, dass sie mit ihrem Geld im Laden die uralte nationale Teetradition stärken. Den meisten Chinesen ist aber nicht einmal bewusst, dass die Läden einer Firma aus Taiwan gehören. 

Die angebliche lange Tradition des Gong Fu Cha wird sogar wissenschaftlich untermauert: Historiker der staatlichen Shantou Universität in China haben in einem mehrjährigen Forschungsprojekt so viele historische Quellen absichtlich falsch interpretiert oder Zitate ohne Kontext in den Vordergrund gestellt, dass es nach ihrer Aussage keinen Zweifel mehr daran gibt, dass das moderne Gong Fu Cha „das wahrhaftige Wiederaufleben der chinesischen Teetradition ist, die das Land über Jahrtausende zusammenhielt“. Menschen, die korrekterweise darauf hinweisen, dass man frühesten im 15. Jahrhundert das ganze Blatt zum Tee nutze und somit es gar keine Tausend Jahre alte Tradition gibt, werden mindestens mit der Sicherheit ihrer Arbeitsstelle bedroht. Andere weisen darauf hin, dass Lu Yu um das Jahr 800, in dem heute ältesten erhaltenem Werk über Tee, eine Art des Trinkens beschreibt (Pulver mit Gewürzen kochen), die eher mit dem „alten“ Tibet als dem Gong Fu Cha in Verbindung gebracht werden könnte.

Vielmehr ist Gong Fu Cha das Ergebnis der Leere die die Kulturrevolution mit ihrem menschlichen und kulturellen Genozid hinterließ. Als in den 1980ern China der Welt wieder geöffnet wurde, bediente man sich beim Nachbarn Taiwan, dem angeblichen Bewahrer der chinesischen Teetradition, und erfand ein das Volk uniformierendes historisches Vorbild. Ferner konnten die wirtschaftlichen Aufsteiger im China der 1990er Jahre nun genauso ihr Geld in die Teewelt investieren, wie es zuvor schon die neureichen Taiwanesen getan hatten.

Es wäre also heute aus historischer Sicht wesentlich spannender den wirklich vorhandenen verschiedenen Teekulturen nachzuspüren, als alle Hinweise hierauf zu vernichten und Gong Fu Cha zu rechtfertigen. China beraubt sich damit in den letzten 20 Jahren selbst seiner historischen Vielfalt.

Genauso wie der durchschnittliche Japaner zwar den Cha-do kennt und  keine Chanyou durchführen kann, da man hierfür ja viele Jahre des Trainings benötigt, kennt jeder Chinese Gong Fu Cha. Aber auch er kann kein Meister sein. Hierfür bräuchte er ja auch jahrelanges Training. Die Teemeister und Teeverkäufer haben es also zusammen mit der nationalistischen politischen Elite geschafft eine Kultur durchzusetzen, in der der normale Bürger ihnen hohen Respekt zollt – für die Durchführung eines selbstkonstruierten Rituals.  Von allen sechs Teesorten ist Pu-Ehr (vom reinen Blatttyp) übrigens am besten für die Gong Fu Cha Utensilien geeignet. So ist es kein Wunder, dass er sich immer höherer Beliebtheit erfreut und selbst neuere Ernten immer teurer werden. Denn wer möchte nicht so Tee trinken, wie es die Vorfahren schon vor Urzeiten getan haben.

Seit etwa 20 bis 30 Jahren benutzt man also Gong Fu Cha, um durch die tagtägliche Wiederholung des Rituals langsam eine homogene Nation zu erschaffen und damit eine Identität zu kreieren, der sich niemand verschließen kann – denn wer mag schon keinen Tee.

Mehr:

Lawrence Zhang, Universität Hong Kong, „A Foreign Infusion. The Forgotten Legacy Of Japanese Chado on Modern Chinese Tea Arts“.

Aged White Tea“ – Eine Lüge der chinesischen Teeindustrie ?

Dem Teekenner/Blogger/ Cody „OolongDrunk“ fiel während eines Workshops mit dem Inhaber von „One River Tea“ auf, dass alle gealterten weißen Tees, die in den einschlägigen Online-Shops verfügbar waren, aus den Jahren nach 2011 kamen und die derzeit neusten alten weißen Tees alle ca. 7 Jahre alt waren. Optisch fallen die alten Weißen durch mehr braune Blätter auf. Produzenten von „One River Tea“ erklärten ihm, dass weißer Tee entweder grünlich produziert werden kann oder bräunlich. Grün ist in diesem Falle die traditionelle Pflückung und Sonnentrocknung mit dünn verteilten Blättern auf Bambusmatten oder Körben. Bei der neuen braunen Methode werden Blatthaufen an der Sonne getrocknet und die hohe Hitze im Blatthaufen lässt die Blätter stärker oxidieren und Wasser verlieren. Den eher braunen Weißen zu produzieren erfordert weniger handwerkliches Geschick und macht es möglich eine höhere Blattmasse herzustellen.

In der großen Weißtee Anbauregion Fuding exisitert der Slogan „One Year Tea, Three Year Medicine, Seven Year Treasure“. Somit könnte man meinen, dass es einfach eine auf langjähriger Erfahrung basierende Weisheit ist, dass sieben Jahre alter weißer Tee der Beste ist. In vielen Gesprächen mit Betreibern chinesischer Online-Teeshops fand Cody heraus, dass ihnen diese Weisheit erst seit ca. 2010 bekannt ist – keine Spur von uralter Teeweisheit.  Verantwortlich für die Regel ist Chen Xinghua, der ehemalige Distriktleiter der KP aus Fuding. Er hatte seit 2007 eine Kommission unter seiner Kontrolle, die die Agrarwirtschaft von Fuding stärken sollte. Da Weißtee aus dieser Region schon bekannt war, baute man diese Präsenz medial stark aus und förderte die Weißtee-Produktion mit staatlichen Krediten. Auf allen großen Teemessen wurde Fuding Weißtee enorm beworben. Die Zahl der Produzenten von Weißtee in Fuding stieg innerhalb von 5 Jahren von 11 auf 400.
Im Jahr 2017 hatte sich schließlich die Fuding Weißtee Industrie international etabliert. Sie verkauften aber nicht nur neue Ernten, sondern gaben den Kunden nun exklusiv die Möglichkeit den bisherigen Geheimtipp „age white tea“ zu probieren. Der sieben Jahre alte Schatz waren also Ernten von 2010/11, die nun jahrelang zur Perfektion gereift worden waren. Mittlerweile verkaufte sich sowohl in China als auch International der braune Weißtee erfolgreicher, da dieser ja alt ist und damit besser als der frische Tee. Teebauern, regionale Händler und Fabrikbesitzer erzählen genau wie die internationalen Händler die Geschichten vom „Treasure“ des alten Weiß-Tees. Sie alle profitieren finanziell von seiner Beliebtheit – denn er ist ja einfach in Masse herzustellen und dann teuer zu verkaufen. Da die Bauern aber auch ihre Staatskredite zurückzahlen müssen und von der Lokalregierung unter Druck gesetzt werden, sind sie vielleicht nur aus Schuldendruck auf die Idee gekommen alten weißen Tee als regionalen Geheimtipp nun international gewinnbringend zu verkaufen.

Zwischenhändler und Online-Shops geben aber das Märchen vom alten Weißtee weiter an die Kunden und keiner nahm seine alten Weißtees aus dem Sortiment als Cody sie auf diese gefälschten Tees hinwies. Cody sprach mit vielen Bekannten auf der World Tea Expo und stellte fest, dass sich niemand „mit Sicherheit“ an „aged white tea“ vor 2010 erinnern konnte. Er versuchte herauszufinden wie man echten gealterten Tee und gefälschten unterscheiden kann. Aber weder Preis, Provenienz noch Geschmack erwiesen sich als zuverlässige Parameter. So oder so stellte Cody fest, dass ihm sein gefälschter Tee zu Hause dennoch schmeckt und das sei doch das Wichtigste?

Indien: Englands Teegarten

Indien ist heute hinter China der zweitgrößte Teeproduzent. Rund 80 Prozent der jährlichen Produktion wird vor Ort konsumiert. Die Anfänge der indischen Teeindustrie liegen aber in der britischen Kolonialzeit. Nachdem die East India Company 1833 ihr Handelsmonopol mit China verloren hatte, begann sie Tee in Indien anzubauen. Entdeckt wurden Teepflanzen in Nordindien bereits zehn Jahre zuvor, aber da man den China-Handel noch kontrollierte, war eine eigene Produktion weder erwünscht noch nötig. In England ermöglichte die Teesteuer große Ausgaben des Kolonialstaates. Würde China keinen Tee mehr liefern, wären die Finanzen in Gefahr gewesen. Besonders die Entwicklung in Assam, von der ersten Entdeckung der Teepflanze über die Hindernisse auf dem Weg zu einer Teeindustrie, wurde tagesaktuell verfolgt. Bereits 1839 orakelten einige Zeitungen, dass Assam-Tee das gesamte britische Empire verändern wird. Der Traum, Assam in einen großen Teegarten zu verwandeln, sollte Wirklichkeit werden. Für Indien war es ein Albtraum.
Die Singpho, die dominierende Ethnie in Assam, wehrte sich vergeblich gegen die englische Okkupation. Ihnen wurde der Lebensraum geraubt, vermessen und einheitlich in Plantagenland aufgeteilt. Auch das benachbarte Burma (heute: Myanmar) wurde in drei Kriegen von Engländern unterworfen. Um die Teegärten anzulegen wurden aus anderen Regionen der Kolonie bis 1949 knapp drei Millionen Menschen nach Assam verfrachtet. Unzählige Zwangsarbeiter starben an den grausamen Bedingungen vor Ort. Da sie sich in Herkunft, Ethnie und Religion von den Singpho unterschieden gab und gibt es bis heute Konflikte in Assam. In den ersten Jahren wurde ihre Arbeit von entführten chinesischen Teebauern angeleitet, da in Britisch-Indien das Wissen über Teeanbau nicht existierte.
Zur Kontrolle der Arbeiterschaft setzte sich die gleiche Organisation wie bei den karibischen Sklavenplantagen durch. Überdies wurden kooperierenden Ethnien Vorteile versprochen, diese aber nie eingelöst. Der anfangs existierende eigene landwirtschaftliche Anbau der Arbeiterschaft zur Selbstversorgung wurde eingeschränkt, um mehr Land unter Tee zu stellen – Hungersnöte waren die Folge. Streiks für bessere Versorgung, Löhne oder gar Infrastruktur wurden regelmäßig blutig niedergeschlagen.
Erst nach der Unabhängigkeit 1949 konnte Indien selbst seine Teeindustrie aktiver gestalten und tat dies mal in Kooperation, mal in Konkurrenz mit anderen ehemaligen britischen Anbaugebieten wie Sri Lanka. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden durch moderne Dünger und Pflanzenschutzmittel die Erträge der Teegarten vervierfacht.

Indien: Die junge Geschichte des Nationalgetränks Chai

Obwohl Chai heute in all seinen Formen das beliebteste indische Nationalgetränk ist, hat es seine Wurzeln in der fremdbestimmten Ära des Kolonialregimes. Während der brutalen Etablierung der indischen Teeindustrie durch England war es nicht vorgesehen, dass dieses Luxusgetränk von Indern selbst getrunken wurde. Auch gab es vor der englischen Okkupation außerhalb der Adelsklasse keine Gewohnheit Tee zu trinken. Erst in den Jahren der Weltwirtschaftskrise um 1930 versuchte England seiner Kolonie das Teetrinken beizubringen. Die produzierten Teemassen, die in westlichen Ländern keine Käufer mehr fanden, sollten jetzt in Indien abgesetzt werden. Hierbei orientierte man sich an Methoden der christlichen Missionare. Tee galt als Zivilisationsgetränk das den angeblich faulen und dreckigen Indern Reinheit und Fleiß offenbaren sollte. An jeder Straßenecke und den Bahnhöfen gab es Teestände für „richtigen britischen Tee“. Diese Versuche misslangen weil Ghandi und andere Freiheitskämpfer gegen Tee agitierten. Unzählige Inder starben für die Profite der englischen Teeindustrie und Tee galt als ausländische Droge. Ferner wurden viele Krankheiten propagandistisch auf Teekonsum gemünzt.
Nach der Unabhängigkeit 1949 versuchte die nationalisierte Teeindustrie, die ein wichtiger Devisenaggregator des Landes war, ihre Mitmenschen für Tee zu begeistern, was aber aufgrund der hohen Preise und des schlechten kolonialen Nachhalls wenig erfolgreich war. Nur in Mumbai entstand durch iranische Migranten eine Teekultur nach persischen Vorbild: ohne Milch aber mit viel Zucker. Schnell wurde aber die englische Vorliebe für Milch in der ehemaligen Kolonie in die Tasse integriert. Erst mit den günstigen und sehr kräftigen CTC-Tees der 1960er und 1970er Jahre und einer Generation die nicht unter englischer Herrschaft aufwuchs, konnte sich Tee durchsetzen. Dank der CTC-Tees konnten sich nun auch Ärmere einen starken „reiche Leute Tee“ leisten, der sich früher durch hohe Blattmasse pro Tasse auszeichnete. In den 1980er Jahren setzten sich die verpackten Tees der Supermärkte gegen die losen Tees der kleinen Händler durch.
Im ländlichen Nord- und Ostindien trinkt man eher zu Hause seinen Tee, während man im urbanisierten Süd-Westen oft an einem Stand oder Arbeitsplatz seinen Tee trinkt. Mit der Verbreitung von Werbung in digitalen Medien gelingt es der Industrie immer besser den Menschen vor Ort einzureden wie sich ein moderner Inder ernähren sollte. Verschiedene Tees werden mit gesundheitlichen oder Lifestyle Vorteilen beworben. Viele Marken versuchen sich vom einfachen Chai des armen Arbeiters abzusetzen und ihren Kunden eine möglichst exklusive Vorstellung von Geschmack zu verkaufen. Der Pro-Kopf-Konsum liegt bei etwa 800g pro Jahr und damit weit unter den ostfriesischen 3kg.

Tee für Opium und vice versa

Vor dem gewaltsamen Eindringen der Europäer in den asiatischen Handelsraum spielte Opium nur als Medizin bei einem kleinen Teil der gesellschaftlichen Elite eine Rolle. Die Violent Opium Company (eigentlich: Vereinigte Ostindische Handelscompanie), handelte in ihren ersten Dekaden nur wenige hundert Kilogramm pro Jahr. Erst mit der Eroberung der Malabarküste in den 1660er Jahren stieg sie in die Produktion ein und steigerte bis zum 18. Jh. die Handelsmenge um das 50x. Im Bewusstsein, das Opium ein moralisch verwerfliches Geschäft war, wurde seine Rolle in Europa so gut es ging verschwiegen und zur Legimitation eine asiatische Konsumtradition frei erfunden. Scheinheiligkeit ist aber noch ein harmloses Wort um die narko-militärischen Regime des Westens in Asien zu beschreiben. Die VOC katapultierte Opium nicht nur zur Massenware schlechthin, sie nutze es auch als Erstes um ihre Arbeitssklaven gefügig zu machen und mögliche Proteste im Keim zu betäuben. Aufstände wurden von der Flotte zerbombt und verursachte ein Überangebot einer Ware zu niedrige Preise, wurden die Lager vernichtet. Ein ähnliches Schicksal drohte allen die dem angestrebten Monopol im Wege standen. Europäer bekämpften sich selbst und lokale Konkurrenten gleichermaßen, sodass die Gewinne aus dem Opiumhandel durch Militär und Verwaltung aufgezehrt wurden. Für die Zeitgenossen war nicht die zugrundeliegende Strategie der Kolonialherrschaft an den steigenden Kosten schuld, sondern Inkompetenz und Korruption vor Ort.
Bis zum Eintritt Spaniens in den US-Bürgerkrieg und diesem Versiegen der latein-amerikanischen Silberquellen bezahlte die EIC in China ihre Einkäufe bar. Dann wechselte man auf Baumwolle und Opium als Tauschmittel und immer mehr Silber floss aus China wieder zurück gen Westen, was vor Ort die Kupferwährung entwertete. Die erste Kiste EIC-Opium wurde 1782 in Kanton angelandet und war der Auftakt einer unvorstellbaren Opiumflut. Die EIC und Firmen wie Matheson & Jardine verstießen kontinuierlich gegen englisches und chinesisches Recht. Die astronomischen Gewinne rechtfertigten dieses menschenverachtende Geschäft. Der innerasiatische Handel der EIC war von Korruption geprägt, da nur lizensierte Personen handeln durften. Alle anderen wurden als Schmuggler bezeichnet, bekämpft und bildeten letztlich die Keimzelle für spätere anti-koloniale Guerillas. Der Fokus auf Opiumanbau sorgte für einen Mangel an Lebensmitteln und Hungersnöten. Opium, gemessen am Wert, war das wichtigste Produkt im Globalhandel und England konnte nur dank des Opiumhandels sein Empire im 19. Jh. weiter ausbauen. Finanziert wurde der Drogenhandel von Banken wie HSBC oder Goldman Sachs. Sie investierten ihre Gewinne in die Transformation Japans in einen modernen Industriestaat, was es diesem rasch ermöglichte Ost-Asien zu okkupieren und sogar die USA anzugreifen.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       
Anderen europäischen Kolonialstaaten mischten in Süd-Ostasien ebenfalls im Drogenhandel mit – allen voran Frankreich in Indochina. Die sichtbarsten Zeichen für die Profite war der Reichtum von Hong Kong, Shanghai, Singapur, Rangoon und Bangkok. Sie waren alle Drehscheiben der halb-staatlichen europäischen Drogenregime. Frankreich hoffte durch das goldene Dreieck (Thailand, Burma, Laos) Einfluss in China zu gewinnen und etablierte dort eine narko-militärische Herrschaft. Die USA nutzten dies nach dem Zweiten Weltkrieg in Burma aus. Sie erschufen den Militärstaat Myanmar als Bastion gegen China („The western states became the worst violators of everything they stood for at home“.)
Die chemischen Derivate Morphium und Heroin schwappten dann in die westlichen Verursacherstaaten zurück und auch hier wurde das Drogenproblem individualisiert und nicht in einen makro sozio-ökonomischen Kontext gesehen. Wie früher die Chinesen schuld an ihrer Sucht waren, sind es nun die eigenen Bürger. Der Westen bekam nun seine eigene Medizin zu schmecken.
Mehr: Hans Derks: History of the opium problem. The Assault on the East 1600-1950, Leiden, 2012.

Japan und sein Tee in westlichen Reiseberichten

Okakura Kakuzo, dessen Werk „The Book of Tea“ von 1906 noch heute eine Einleitung in japanischen Tee-Ismus bietet, war recht gut mit den Asienfans der US-Elite vernetzt. Er war darauf angewiesen dass sie ihm als Japaner und Bindeglied zwischen den Kulturen Aufträge vermittelten. Mit dem Buch wollte er deren Interesse an der japanischen Teekultur monetisieren und das zirkulierende Halbwissen einordnen. In der Regel basierten um 1900 Informationen über japanische Teekultur auf Hören-Sagen von Touristen und fraglichen Übersetzung einer Handvoll asiatischer Texte. Sein Buch sollte ein tiefes Verständnis für die komplexe Teezeremonie schaffen und so als Folie für die Vielseitigkeit Asiens dienen.
Die Beschäftigung mit japanischen Tee begann durch die ersten Missionare. Da Tee aber weder als hilfreich noch hinderlich für die Christianisierung angesehen wurde, notierten Portugiesen und Niederländer nur wenige Zeilen hierzu. Die Reiseberichte des 19. Jhs. übernahmen in der Regel die alten Blickwinkel, erkannten aber das die alten Teezeremonien im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft an Bedeutung verloren. Da ihnen diese Art des Teegenusses arg fremd war, waren die Reisenden durch die Bank froh wenn sie die Zeremonie überstanden hatten. Positiv schrieb Eliza Scidmore, die erste Frau in der National Geographical Society, dass sie sich nicht nur in andere Jahrhunderte sondern ein anderes Universum versetzt gefühlt hatte.
Robert Fortune war auch bei Japanreisen Pionier. Er begleitete in den 1850er Jahren Diplomaten wie Sir Rutherford Alcock nach Japan und verglich seine Eindrücke mit Teeritualen in China und England. 30 Jahre später bereiste der Yale-Gelehrte John Stoddard Japan und erklärte dass das Interieur eines Teehauses, das Fortune mit den Ausflugslokalen reicher Londoner gleichsetzte, mit seinen vielen kleinen Merkwürdigkeiten, typisch für das Kindliche im Asiaten sei. Die wenigen Möbel seien mehr als komisch und japanische Kalligraphie sei unschön. Das Schlafen auf dem Boden und die Raumtrennung durch Papierwände waren für ihn absolute Zeichen von Unterentwicklung. Obwohl es bis 1900 hunderte Reiseberichte über Japan gab, erweiterte sich das Wissen kaum. Die Weltumseglerin Anna Brassey verglich das Teehaus eher mit einem Restaurant in dem auch Tanzdarbietungen gezeigt werden und kam damit der Realität näher.
Westliche Männer beschäftigen sich mehr mit den Mädchen die den Tee servierten als mit dem Getränk an sich. Der Topos des unschuldigen Schulmädchens diente als Vergleich für die sexistischen Bedürfnisse der Leserschaft. Die „Illustrated London News“ veröffentlichten in den 1870er mehrere Zeichen- und Fotoserien über japanische Frauen und die damaligen Motive wurden bis zum Ersten Weltkrieg von den Reisenden lediglich reproduziert. Die angeblich verruchte Atmosphäre von Frauen, Tanz, Tee und Sake bespielte die erotischen Ideen der Leserschaft, die sich unter dem angeblich schlechten Ruf dieser Etablissements ganz besonderen Spaß imaginierten. Dies wurde auf die Spitze getrieben als Baron Raimund von Stillfried 1873 für die Wiener Ausstellung ein Teehaus und Japanerinnen importiere und diese als Prostituierte anschaffen gehen ließ.
Da in den Häfen Teeverladung eine sichtbare Erscheinung war, wurden stellenweise in den Reiseberichten auch Produktion und Handel von Tee thematisiert. Während Reisende aus England kaum Interesse am Japantee hatten, spielte es für die USA, die Ende des 19. Jh. der größte Importeur von Japantee waren, eine wichtige Rolle. Scidmore berichtete 1891 als Erstes über die Tee-Ernte in Shizuoka und Uji und ließ die Pflückerinnen fotografieren. Die bald illustrierten Reiseführer sorgten dafür, dass Touristen immer nur die gleichen Orte besuchten, gleiche Erlebnisse hatten und alternative Erzählmuster über japanische Kultur und Gesellschaft nicht aufkamen.
Mehr: Allen Hockley: Other Tea Cults, in: Review of Japanese Culture and Society, Vol. 24, University of Hawaii Press, 2012.

Die Anfänge des chinesisch-amerikanische Teehandels

Mit der „Empress of China“ erreichte 1784 das erste US-Handelsschiff China. Dort wurde neben Silber auch Papiergeld und Handelskredite, die meist mit Waren bezahlt wurden, als Währung akzeptiert. Überdies lernte „der Westen“ hier das Prinzip von Versicherungen auf Handelsverträge kennen. So wurden auch die Waren der „Empress of China“ über Kredite und nicht mit Silber bezahlt. Als sie im Mai 1785 wieder in NY einlief machte der Tee an Bord etwa 90 Prozent des Warenwertes aus. Neben Fellen war in China besonders der amerikanische Ginseng beliebt.
Da es in den ersten Dekaden ihrer Existenz für die USA schwer war an Kredite zu kommen, zeigten sie sich zuerst dankbarfür die chinesische Hilfe . Ferner freuten sie sich, dass sie durch ihren China-Tee in Europa Zugang zum Kreditmarkt erhielten. Aufgrund des Bargeldmangels um 1800 war es für amerikanische Händler schwer an Dollar zu kommen. Somit waren Kredithandel und Bezahlung per Silber willkommene Alternativen. Dank dem wirtschaftlichen Kreditsystem war es für die US-Händler möglich den Handel und die Bezahlung der Waren zeitlich unabhängig voneinander zu gestalten. Außerdem konnte so das wenige Bargeld für die binnenwirtschaftliche Entwicklung der USA genutzt werden.
Der Kredithandel mit China sah in der Regel so aus, dass man u.a. Tee auf Kredit kaufte und schriftlich versicherte diesen mit 1 Prozent Zinsen im Monat im nächsten Jahr zu bezahlen. Mit den Profiten wurden Ginseng, Felle und Silber in den USA gekauft umso bei der nächsten Schiffsreise die alten Kredite in China zu begleichen. Umgerechnet in heutigen Wert betrugen die Jahreskredite um 1800 rund 10 Milliarden Dollar.
Bezahlten die US-Händler ihre Schulden nicht, verklagten die chinesischen Hong sie vor dem NY Kanzleigericht. Die meisten US-Händler meldeten darauf entweder Insolvenz an oder verklagten die Chinesen wegen angeblich minderwertigen Tee, den sie nicht zum erwarteten Preis verkaufen konnten. In der Regel gaben die US-Gerichte ihren Händler Recht und die chinesischen Kreditgeber gerieten in der Heimat in Zahlungsnot. Alleine der Consequa genannte Händler beklagte 1814 ausstehende Zahlungen in heutiger Höhe von 14 Mrd. Dollar nur aus Philadelphia.
US-Händler nutzten chinesische und europäische Schuldverschreibungen als Zahlungsmittel und tauschten beide untereinander aus. Im US-Handel galten die chinesischen Schuldscheine für US-Händler als genauso gutes Geld wie bare Münzen. Die US-Händler investierten ihre Gewinne in neue Schiffe, gründeten Banken oder intensivierten ihren Sklavenhandel. Andere kauften Textilfabriken oder tausende Hektar Land. Ab und an wurde auch Geld für private Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen ausgegeben.
Einfallstor für die USA zum europäischen Geldmarkt waren die Niederlande, die dem neuen Staat gerne gegen ihren alten Feind England finanziell zur Seite standen. Darüber hinaus nahmen Niederländer den China-Tee der US-Schiffe ab, um diesen in Europa teils illegal zu verkaufen. Die napoleonischen Kriege hatten den europäischen Import von Tee aus Asien unterbrochen und die USA nutzten diese Chance und transportierten etwa 15.000 t Tee zwischen 1790-1800 nach Europa. Nach dem US-Britischen Krieg von 1812-1815 organisierten sich einzelne Händler zu Gesellschaften und starteten damit erneut in den Chinahandel.
Mehr: Dan Du: Green Gold and Paper Gold: Seeking Independance through the Chinese-American Tea Trade 1784-1815, Wake Forest University, Early American Studies, Winter 2018.

Tee in Vietnam: Geschichte und Produktion

Obwohl fast niemand an Vietnam denkt, wenn es um Tee geht, ist das Land der sechstgrößte Produzent (300.000 t) und fünftgrößter Exporteur (150.000 t) weltweit.
Mit China hat das Land eine 1400 km lange Grenze und wurde ein Millennium von China beherrscht. Doch die Wurzeln für Vietnam-Tee reichen tiefer in die Historie zurück. Teepflanzen wuchsen bereits vor der chinesischen Besatzung im heutigen Vietnam und die Nomaden der Grenzregion hatten ihre eigenen indigenen Teekulturen. Einige dieser sozialen Verhaltensformen haben bis heute Gültigkeit. So ist es immer noch unfreundlich einem Gast nicht erstmal eine Tasse Tee anzubieten. Die Teepause war und ist essentieller Bestandteil der Alltagskultur in den Anbauregionen. Mit den Chinesen kam auch ihre Hierarchie. Reiche Personen ließen sich Tee nach festen Regeln und mit bestimmten Utensilien servieren. Tee war ein Instrument um soziale Rangordnung zu repräsentieren. Heute findet man nur noch bei entlegenen Landbewohnern die diversifizierten tradierten Teekulturen. Je jünger und verstädterter eine Person ist, desto eher entfremdet sie sich mit individuellen Teebeuteln vom sozialen Ereignis Tee trinken.
Eine nationale Teeproduktion kam erst mit der französischen Kolonialherrschaft. Um ihre Zwangsabgaben zu erfüllen  erhöhten ihre Erntemengen,. Viele heutige Teepflanzen stammen noch aus dieser Phase. Ab 1890 versuchte die Kolonialmacht mit Plantagen eine Teeindustrie aufzubauen. Man konnte sich aber nie gegen die englische und niederländische Konkurrenz durchsetzen. Bis 1945 stieg die Anbaufläche auf 13.000 ha und der Ertrag auf 6.000 t. In den 30 Jahren des Vietnamkrieges zerfielen Forschung, Anbau und Produktion. Nach dem Krieg förderten die Sowjets die Schwarzteeproduktion. Mit dem Ende der Sowjetunion zerfiel auch die Schwarzteeproduktion in Vietnam. So bemühte man sich in den 1990er Jahren um Kooperationen mit anderen Konsumländern. Mittlerweile stehen etwa 130.000 ha unter Tee und der Teesektor beschäftigt eine halbe Million Menschen.
Die vietnamesische Teewelt ist aber gespalten. Es gibt hervorragende Terroirs und kleinbäuerliche Handwerkskunst die Kennern Spitzentees zu guten Preisen liefert. Hier wird auch die vietnamesische Tradition in Anbau und Produktion geschätzt. Viele der Kleinbauern verkaufen ihren Tee aber an Fabriken die Tees für den Export produzieren. Hier wird Vietnam-Tee ohne Nennung in indischen und chinesischen Mischungen verwendet. Seit dem Beitritt zur WTO 2007 übernehmen internationale Großkonzerne immer mehr Anbaufläche. Kleinbauern lockt hier das schnelle Geld. Die Konzerne können in Monokulturen mit modernsten Techniken und Maschinen hohe Erträge aus den Böden saugen. Viele Bauern müssten ihre Kultivare gegen neue ertragreichere Varianten tauschen, scheuen aber eine Investition. Die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges lassen sie lieber das Geld der Konzerne nehmen als die Unsicherheit „Zukunftsinvestition“ zu wagen.
Einer der wichtigsten Investoren ist Taiwan. Deren Tee ist weltweit beliebt aber die Anbaufläche auf der Insel begrenzt. In Vietnam können in vergleichbaren Terroirs ähnlich gute Oolongs wie auf Formosa produziert werden. Chinesen lassen eher Long Jing pflanzen um den Bedarf des Westens so zu decken. Mit jeder ausländischen Kooperation verliert Vietnam aber seine eigenen Kultivare. Vietnam müsste auf dem Weltmarkt sichtbarer werden um für seine eigenen Tees werben zu können, anstatt nur Inkubator für fremde Teesorten zu sein.

Die schöne Heimat des Oolong: Überblick zur taiwanesischen Teegeschichte

Das heutige Taiwan ist in Europa seit der Eroberung durch Portugal als Ihla Formosa (schöne Insel) bekannt und hatte über Jahrhunderte eine vom Festland unabhängige Kultur entwickelt. Seit 1623 gehörte sie zum niederländischen Kolonialreich. Neben dem Export von Fellen brachten die Niederländer tausende Festland-Chinesen auf die Insel um die Zucker- und Reisproduktion zu erhöhen. Das subtropische Klima, die vulkanische Erde und die kultivierten Höhenlagen boten beste Voraussetzungen für gute Ernten. 1645 gab es die ersten Nachrichten von wilden Teebüschen auf der Insel.
1662 eroberte die chinesische Qing-Dynastie Taiwan, inkorporierte die Insel jedoch nicht in ihr Wirtschaftssystem und ignorierte sie generell für über 100 Jahre. Aus der Provinz Fujan wurden im 18. Jahrhundert die ersten gezüchteten Teepflanzen auf der Insel angesiedelt. Dies war nicht staatlich gelenkt und ging allein auf die Arbeitsmigranten des Festlandes zurück. Sie wollten einfach auch in der neuen Heimat ihren Tee wie zu Hause trinken. Es gab nun zwar Anfänge eines Teeanbaus, aber keine Produktion. Die kleinen Ernten wurden auf dem Festland verarbeitet. Berüchtigte Opiumschmuggler wie Jardine & Matheson waren auch im damals noch illegalen Handel mit Taiwan-Tee involviert.
Als nach dem Zweiten Opiumkrieg (1856 – 1860) die Häfen Danshui und Kaoshiung zwangsweise für den Westen geöffnet wurden, erkannte der Schotte John Dodd den möglichen Profit der dortigen Oolong Tees. Er investiere in die Teeproduktion vor Ort und zwanzig Jahre später besaß sein „Formosa Oolong“ in London und New York einen hervorragenden Ruf. Mit einer Jahresproduktion von 8.000 t löste Tee Zucker und Reis als wichtigste Agrargüter ab.
Das durch den Westen geschwächte China verlor Taiwan 1895 an Japan. Da Japan seinen Grüntee vor der Konkurrenz aus Taiwan schützen wollte, initiierte es mit der „Taiwanese Research and Extension Station“ die Teeforschung auf der Insel und etablierte eine Schwarzteeproduktion. Das Forschungsinstitut existiert noch immer und hat in den letzten 100 Jahren viele berühmte Teesorten entwickelt. Japan industrialisierte die Insel, legte Sümpfe trocken und erschuf so auch die berühmte Teeregion um den neu angelegten Nantou See. Wichtigste Abnehmer für diesen Schwarztee waren die Türkei und Russland. Japan warb weltweit auf Fachmessen für Tee aus Formosa und erhöhte dessen Bekanntheit.
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Taiwan wieder zu China. Dort kämpften Kommunisten (Mao Zedong) und Nationalisten (Chiang Kai-Shek) um die Regierungsmacht. 1949 siegten die Kommunisten und Chiang Kai-Shek floh mit seinen Anhängern nach Taiwan. Bis zum Ende des Kalten Krieges herrschten sie hier als Einparteien-Diktatur. Die Embargos des Westens auf China und seinen Tee beflügelten die taiwanesische Teeproduktion. Dies brach 1971 ein, als die Vereinigten Nationen China inklusive Taiwan als einen Staat China anerkannten. Mit dem Aufstreben Chinas und Japans auf dem Teemarkt in den 1980er Jahren besann sich Taiwan auf seine klassischen Oolongs und hat hier nach wie vor einen unerreichten guten Ruf. Zurzeit produziert Taiwan auf gut 20.000 ha Teeland auch etwa genauso viele Tonnen Tee, die zu rund 10 Prozent exportiert werden. Taiwanesen sind euphorische Teetrinker und so muss die Insel zusätzlich jährlich 30.000 t Tee aus Indien, Japan, Vietnam und China importieren.

Wilhelm III.

Wilhelm III. wurde als Inbegriff politischer und militärischer Genialität charakterisiert. Er regierte in den Niederlanden und England, auf dessen Thron ihn das Parlament 1689 berief. Der Oranier wurde zur Hauptfigur der Glorious Revolution von 1688/89, in der sich England endgültig vom Absolutismus verabschiedete und den Weg zur parlamentarischen Monarchie eröffnete. Als Statthalter der Niederlande führte er zudem den Kampf gegen Ludwig XIV. von Frankreich an. Unter ihm schrieben die Niederlande Weltgeschichte und prägten die Kultur des Abendlandes nachhaltig. Aber auf die Dauer mussten sie sich ihrem übermächtigen Nachbarn England, dem zweiten Königtum von Wilhelm, geschlagen geben.
Die Dynastie der Oranier leitet sich von dem kleinen Fürstentum Orange in der Provence ab. Die Niederlande, wozu damals auch das heutige Belgien gehörte, waren damals neben Böhmen die bevölkerungsreichste und fortschrittlichste Region Europas. Städte wie Amsterdam, Brügge, Gent oder Antwerpen waren Zentren der Wollmanufaktur und des Handels, die ein wohlhabendes Bürgertum entstehen ließen. Ihr Selbstbewusstsein und Streben nach Selbstständigkeit zielte auch mit ihrem Protestantismus gegen die Ansprüche der katholischen Habsburger.
Als mit dem protestantischen Bildersturm von 1566 der achtzigjährige Freiheitskampf der nördlichen Provinzen gegen Spanien begann, stellte sich Wilhelm I. auf ihre Seite. Als sie sich nach langen, blutigen Kämpfen 1581 zur Republik erklärten, wurde Wilhelm I. zum Statthalter gewählt. Kurz darauf wurde er ermordet. Als „Vater des Vaterlandes“ (und einer kaum überschaubaren Kinderschar mit vier Ehefrauen) ist er in die niederländische Geschichte eingegangen. Auch Wilhelms Sohn Moritz spielte im Befreiungskampf gegen das spanische Weltreich eine zentrale Rolle. Von 1590 an schuf er mit der Oranischen Heeresreform die militärischen Grundlagen für den späteren Sieg der Niederlande. Die finanziellen Mittel dazu stammten aus der städtisch geprägten Wirtschaft, in der Gewerbe und Dienstleistungen dominierten und die mit Besitzungen in der Karibik und Ostindien globalen Handel trieb.
Auf dieser Grundlage konnte die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen der Niederlande schließlich im Westfälischen Frieden von 1648 ihre Unabhängigkeit erlangen. Der katholische Süden (Belgien) blieb habsburgisch. Der intellektuelle Esprit des Befreiungskampfes und die märchenhaften Reichtümer, die über die größte Handelsflotte der Welt ins Land strömten, begründeten nun das Goldene Zeitalter der Niederlande.
Die wichtigste Aufgabe des Statthalters war der Schutz der „wahren Religion“, also des reformierten Protestantismus, und des Oberbefehls im Kriege. Ihn zu führen, wurde denn auch die Aufgabe für Wilhelm III. Während England in mehreren Seekriegen die maritime Dominanz der Niederlande attackierte, griff Ludwig XIV. zu Lande an. Wie einst gegen die Spanier öffneten die Niederländer in ihrer Not die Deiche, um den Vormarsch der Franzosen zu stoppen.
1677 hatte Wilhelm die englische Königstochter Maria geheiratet. Als ihr Vater Jakob II. seine Rekatholisierungspolitik in England intensivierte, rief die englische Opposition den Oranier zur Hilfe. Im November 1688 landete Wilhelm auf der Insel, besiegte Jakob und wurde im Januar 1689 durch das Parlament zum König ernannt.
Bis zu seinem frühen Tod 1702 wurde Wilhelm III. (und damit England und die Niederlande) zum Zentrum des Widerstands gegen das Hegemoniestreben Ludwigs XIV. Niemand konnte nach ihm den schleichenden Niedergang der Niederlande aufhalten, deren Seemacht schließlich von England vernichtet wurde, bevor die Heere der Französischen Revolution sie überrannten.

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