Tee ist eigentlich nur ein Getränk. Aber es gelang ihm die politische, wirtschaftliche und sozio-kulturelle Landschaft der britisch dominierten Welt im 18. Jh. zu prägen. Für den Erfolg des Konsumismus, der sozialen Verortung aufgrund des Besitzes von bestimmten materiellen Gütern, war Tee ein wichtiger Faktor. Zuvor hatten Güter nur das Ziel die Bevölkerung zu ernähren und ihre Langlebigkeit wurde eher geschätzt als schnell wechselnde Moden. Die Oberschicht konnte sich im 18. Jh. durch das Vorhandensein von Zeit außerhalb von Arbeit (freie Zeit) mit eigenen kulturellen Riten von den unteren Schichten abtrennen ohne zum königlichen Hofstaat zu gehören. Verstädterung und Rückgang der Agrargesellschaft führten zur vertikalen sozialen Mobilität. Diese stellte man mit der entstehenden Massenproduktion von Gütern ebenso zur Schau wie durch exotische Waren. Der negative christliche Überschweif verwandelte sich in den positiv konnotierten Luxus. Die Kolonisten in den Amerikas versuchten den alten englischen Adel nachzueifern und ihr „Britischsein“ mit mehr Elan darzustellen als es in England selbst der Fall war.
Da Frauen Tee trinken durften (im anfänglichen Gegensatz zum Kaffee) etablierte es sich in der kolonialen Gemeinde, dass man sich gemeinsam zum Konsum des exotischen Tees traf und dank des Koffeins möglichst unterhaltsame Gespräche führte. Dies geschah zu Hause, im Privaten, also nicht mehr im öffentlichen Kaffeehaus. Höfliche Gespräche in vornehmer Atmosphäre waren das Klassensymbol der Oberschicht in der ersten Hälfte des 18. Jh. Alleine durch das Vorhandensein von Zeit zum Tee trinken und dem Getränk an sich zeigte man seinen Reichtum. Das wurde nach und nach durch immer filigranes Porzellan und Silberware verstärkt. Diese Exklusion der unteren Schichten kristallisierte sich im Teetisch. Das neue Möbelstück konnten sich arme Menschen nicht leisten. Kaum zu reden von den Teeservices die dort immer zur Schau standen. Da die ganze vornehme Familie Tee trinken durfte, war der Teetisch der Ort an dem Kinder lernten wie man sich benehmen sollte um seine gesellschaftliche Position zu festigten. Denn man musste nicht nur guten Tee und neuste Service haben, man musste die Gäste auch nach den unbeschriebenen Regeln der sozialen Klasse unterhalten können. Es war verpönt sich einer Unterhaltung zu entziehen oder gar ein Buch zu lesen. Da es von Alt und Jung sowie Mann und Frau getrunken wurde war es überaus modern. Tee wurde zu einem Vehikel um alte Moralvorstellungen in Vergessenheit geraten zu lassen.
Je mehr Tee angebaut und importiert wurde, desto mehr eiferten untere Schichten diesem Ideal der Tee trinkenden reichen Familie nach und beschleunigten damit die wirtschaftliche Macht der englischen Teeindustrie und finanzierten zu erheblichen Teilen die Erweiterung des britischen Empires in Asien.
Mehr: Shannon Fleming: Time for Tea: The Cultural Significance of Tea in the British Atlantic World 1730-1750, California Polytechnic State University, 2010.