Britischer Imperialismus und Teekulturen in Asien und Nordamerika

Der extrem steigende Import von China-Tee nach England (1780: 3 Mio. Tonnen; 1830: 30 Mio. Tonnen) drohte Britannien in eine defizitäre Handelsbilanz zu führen. Durch Schmuggel und Kriege um den illegalen Import von Opium lösten sie dieses Problem gewaltsam. Für die chinesische Staatsräson und Wirtschaft spielte vor diesen katastrophalen Folgen der Handel mit den westlichen Nationen übrigens keine nennenswerte Rolle. Im 18. Jh. bezahlten Engländer den Tee in China erst mit süd-amerikanischem Silber, dann mit Baumwolle und letztlich mit Opium. Fast 80 % der Handelskosten konnten durch diesen interkolonialen Handel abgedeckt werden. Nach dem Verlust des Handelsmonopols der EIC mit China setzte diese in Indien ein Produktionsmonopol durch und etablierte in der zweiten Hälfte des 19. Jh. eine britisch kontrollierte Teeindustrie.
Die englischen Emigranten nahmen, wie zuvor die niederländischen Siedler, den Tee mit in die neuen Kolonien und versuchten durch treues Beibehalten von Teetrinken sich selbst immer wieder ihres „Britschsein“ zu versichern. Oft waren Teeservices die ersten Gegenstände die für das neue Haus in den Kolonien gekauft wurden. Tee war essentiell für die damalige koloniale Kultur. Bewohner der Kolonien mussten ab 1721 ihren Tee über die EIC importieren. Der direkte Handel mit Asien war verboten worden. Dies erhöhte die Einnahmen der Kolonialbehörde enorm. Interdependent mit Tee explodierte in Britannien auch der Zuckerkonsum.
In den USA sorgte die Unabhängigkeit für ein kurzes Intermezzo von fallendem Teekonsum. Spätestens nach dem Tod der Erlebnisgeneration stieg der Teekonsum wieder an. Mit der politischen Annäherung von USA und GB gegen Ende des 19. Jh. war es durchaus ein politisches Statement „englischen Schwarztee“ anstatt chinesischen Grüntee zu trinken.
In Kanada blieb der Teekonsum auch nach der Gründung der Föderation 1867 hoch. Auch hier finanzierten die Teetrinker weiterhin das britische Reich. Die Bedeutung von Tee symbolisiert bspw. dass mit den Feiern zu Queen Victorias Geburtstag (24.05) die Social Season begann. Überdies war es für die soziale Verortung der Damen in ihrer Gemeinde wichtig guten Teegeschmack und Services zu besitzen. Die politische Bedeutung von Teekonsum flackerte während des Buren-Krieges (1899-1902)  wieder auf, da man durch vermehrten „India-Tea“ Konsum die britische Armee finanzieren konnte.
Die Kolonisten Nord-Amerikas, Australien und Neu-Seeland hatten einen höheren Pro-Kopf-Verbrauch von Tee als Menschen im Mutterland und befeuerten mit ihrem Teekonsum selbst nach der Souveränität die Expansion bzw. den Erhalt des Kolonialreiches.
Abschließender Fun Fact: In England wurde Tee anfangs nur ausgeschenkt und nach Gallonen besteuert. 1689 folgte die Umstellung auf Verkauf und Versteuerung von trockener Blattmasse. Thomas Garway, Londoner Pionier der Teewerbung, soll auch hier führend agiert haben.
Mehr: Sydney Cunliffe: British Imperialism and Tea Culture in Asia and North America, 1650-1950, McGill University, 2011.

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