Tee: Heilsbringer oder Gift. 200 Jahre Streit

Seit Jahrhunderten war Alkohol die Basis des britischen Durststillens. Durch den geringen Alkoholgehalt gab es keine großen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Probleme. Im 18. Jh. kamen hochprozentige Getränke in Mode. Aber eine betrunkene (Land)-Arbeiterschaft erwirtschaftete für die Oberschicht keinen Profit. Ein Grund Alternativen zu propagieren.

Im gesamten 18. und 19. Jh. diskutierte die englische Ober- und Mittelschicht, ob Tee für die Unterschicht ein angemessenes Getränk sei. Neben medizinischen und sozialen Argumenten wurden auch religiöse Faktoren diskutiert. Mediziner waren der Ansicht, dass u.a. die Temperatur der Körpersäfte für Krankheiten verantwortlich sei. Heiße Getränke könnten hier folglich schädigend wirken. Eine Betrachtungsweise war, dass Bibelfiguren, die nie heiße Getränke zu sich nahmen, uralt wurden. Ferner ist es ja in der Hölle sehr heiß und heißer Tee könnte so höllische Wirkungen haben.


Medizinischen Ansichten flossen widerstandslos in die Theologie. Hier war der Priester und Gründer der Methodisten John Wesley einer der prominentesten Vertreter. 1748 plädierte er für eine Abstinenz von allen Getränken, die den Geist beeinflussen. Er selbst sei durch Tee an nervösem Zittern erkrankt und erst der Verzicht auf Tee führte zur Heilung. Zwar nahm die Abstinenzbewegung vieler seiner Argumente auf, münzte diese dann aber rein auf alkoholische Getränke. Später wurde selbst Wesley ein Advokat für Teekonsum. Zwei Jahre später dominierte das Postulat vom Tee als Allheilmittel die Debatte.


1757 wiederum publizierte Jonas Hanaway, ein Philanthrop, dass Tee eine große soziale Gefahr sei. Massen der Armen verschuldeten sich für ihre Teesucht und viele der typisch weiblichen Krankheiten waren für ihn mit deren starken Teekonsum zu erklären. Ferner würden Mütter ihren Babys mit dem heißen Tee, der über das Stillen in deren Körper gelange, schwere Schäden zuführen. Es zirkulierte ein Pamphlet, welches die Reichen vor den nun faulen teetrinkenden Armen warnte. Jede Minute, die eine Arbeiterin Tee trinke, würde sie nicht für die Reichen arbeiten. Somit sollte man der Unterschicht Tee verbieten und sie auf gar keinen Fall mit gebrauchten Teeblättern bezahlen. Diese Teeweiber würden beim gemeinsamen Teetrinken über ihre Dienstherren lästern und das sei schädlich für das Ansehen der gesamten britischen Mittel- und Oberschicht. Die Antipode hierzu war zeitgleich Dr. Samuel Johnson. Er sah in der Tatenlosigkeit, dem sich bedienen lassen des Adels und deren Gier nach Luxus den Hauptgrund dafür, dass diese anfällig für Krankheiten waren. Er selbst sei starker Teetrinker und seit 20 Jahren gesund. Überdies hielt er das Reden und Lästern der Unterschichten bei einer Tasse Tee für weitaus harmloser als deren Rebellion gegen die Hungerlöhne. Der Streit zwischen Johnson und Hanway dauerte viele Jahresausgaben des „Literary Magazin“ an. Noch 1826 wurde deren Streit aufgegriffen als es darum ging die Royal Navy in Gänze mit Tee zu versorgen. Mittlerweile waren aber die Gegner von Tee in der Minderheit und sowohl Mediziner als auch Theologen hatten ihre Pro-Argumente im 19. Jh. verwissenschaftlicht. Tee war das britische Nationalgetränk geworden und man ließ keinen Zweifel an der heilenden Wirkung für den individuellen und Nationalkörper mehr zu.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner