Tee aus Ost-Afrika: koloniales Erbe als Hoffnung im 21. Jahrhundert

Nach der arabischen Eroberung von Konstantinopel suchten Europäer nach einem Seeweg für den asiatischen Gewürzhandel und unterwarfen hierbei die Küstenregionen Afrikas. Die Ausbeutung afrikanischer Menschen und Ressourcen wurde als Menschheitsverbrechen Sklaverei zu dem entscheidenden Faktor für den bis heute anhaltenden Wohlstand in Europa.

Die Eroberung des afrikanischen Binnenlandes und damit die Entdeckung von potentiellen Anbauregionen für Tee erfolgte erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung wurde der Kontinent unter den europäischen Staaten aufgeteilt, sodass noch heute Bürgerkriege und Armut hier ihre Wurzeln haben. Am Übergang zum 20. Jahrhundert intensivierten Europäer die Ausbeutung ihrer Kolonien und vermehrten ihren Besitz in Afrika mit großer Unterstützung der Kirchen, die in Afrika auf große Missionserfolge hofften. Jetzt wurden die ersten Teepflanzen in Versuchsgärten angebaut, aber in der Regel gab es keine nennenswerte Teeindustrie in Afrika vor dem Ersten Weltkrieg. Der Ausbau von Infrastruktur und großen Plantagen wurde für eine exportorientierte landwirtschaftliche Produktion in den 1920er Jahren ohne auf die Bedürfnisse der vor Ort lebenden Indigenen Rücksicht zu nehmen vorangetrieben. Hungersnöte, Vertreibung und Niederschlagung von Aufständen gehörten zum kolonialen Alltag. Häufig durften Afrikaner selbst kein fruchtbares Land mehr besitzen oder gar ein Kolonialprodukt wie Tee anbauen.

Besonders nach dem Ende der britischen Herrschaft in Indien geriet Afrika als Teeanbauregion in den Fokus der englischen Lebensmittelindustrie. Die letzten zwanzig Jahre bis zur Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten in den 1960er Jahren waren durch erbitterte Abwehrkämpfe der europäischen Kolonialmächte gekennzeichnet, denen hunderttausende Indigene zum Opfer fielen. Parallel lief eine intensive Forcierung der Plantagenwirtschaft, sodass jährlich zehntausende Tonnen von Tee von den Zwangsarbeitern günstig für die britischen Teefirmen angebaut wurden.

Das Ende der europäischen Kolonialimperien gehört zu den bedeutsamsten Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Während es vor Ort zum Verteilungskampf über Ressourcen und Lebensräume kam, brach in England der Teekonsum innerhalb einer Generation um 75 Prozent ein. Durch Korruption und Machtpolitik gelang es viele Jahrzehnte das Potential einer souveränen ost-afrikanischen Teeindustrie zu unterdrücken. Erst in den letzten Jahren gelang es einigen Kleinbauern und Plantagen sich vom kolonialen Erbe zu emanzipieren und eigene Spitzen-Tees zu vermarkten.

Ruanda

Aufgrund des Gebietstausches im Helgoland-Sansibar-Vertrags von 1890 zwischen England und dem Deutschen Reich war Ruanda bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine deutsche Kolonie. Die erste Missionsstation öffnete 1900 und der erste Militärstützpunkt 1907. Bereits zehn Jahre später verlor das Deutsche Reich die Kolonie an Belgien. Sie führten 1952, nur zehn Jahre vor der Unabhängigkeit, Tee in Ruanda ein. Die beiden Kolonialherren regierten das Land vor allem durch eine gezielte Verschärfung des Konflikts zwischen den bäuerlichen Hutu und den viehzuchttreibenden Tutsi. Nach der Unabhängigkeit dominierten Bürgerkrieg und der Genozid von 1994 Nachrichten aus Ruanda.
Erst im 21. Jahrhundert gelang es dem Land und auch seinem im Teeanbau eine gewisse Stabilität zu erreichen. Seit der Privatisierung der Teewirtschaft 2012 dominieren große Plantagen ausländischer Firmen den Markt. Heute beträgt die Anbaufläche 25.000 ha und Tee macht rund 15 Prozent der Exportgewinne aus. Etwa 60.000 Menschen sind im Teebereich tätig und damit ist es die drittgrößte Branche des Landes. Aufgrund der guten Böden, Höhe der Teegärten und Witterung besitzt Ruanda das Potential für Spitzen-Tees. Die ausländischen Fabrikbesitzer produzieren aber fast nur CTC Tee für englische und arabische Teemischungen. Besonders die Klimakatastrophe bedroht durch Extremwetter, wie Hitzeperioden und starke Regenfälle die Teewirtschaft.

Mosambik

Mosambik konnte sich erst 1975 von der 400 Jahre dauernden Kolonialherrschaft Portugals befreien. Neben unzähligen Toten wurden auch eine Million Menschen von den Portugiesen in ihre süd-amerikanischen Besitzungen verschleppt. Gold, Elfenbein, Zucker und Sisal waren die wichtigsten Produkte für das Mutterland. Seit den 1920er wurde versucht im nördlichen Bezirk Gurúè Tee anzubauen. Die weißen Teefarmer errichteten bis zur Dekolonisation eine aristokratische Herrschaft die rund 10.000 t pro Jahr produzierte.  Die 1970er und 80er Jahre waren von Bürgerkriegen geprägt. Nach dem Kalten Krieg gelang es vor Ort wieder Tee anzubauen, sodass heute mit der 3.000 ha umfassenden „Monte Metilile“ Plantage hier eine der größten Bio-Plantagen weltweit steht. Insgesamt sind rund 45.000 ha unter Tee. Die Vulkanerde, die Höhe von ca. 2000 m und die saisonale Regenfälle bieten beste Voraussetzungen für Spitzen-Tees, aber wenige europäische und asiatische Firmen haben Interesse daran aus dem guten günstigen Tee einen teuren Premium Tee wachsen zu lassen.

Tansania

Portugal entdeckte das heutige Tansania auf der Suche nach Flottenstützpunkten für die Indienreisen im 15. Jahrhundert. Mit der omanischen Eroberung Ostafrikas im 17. Jahrhundert  fielen auch die europäischen Brückenköpfe wieder in arabische Hände. In 1840er Jahren entdeckten Europäer das Gebiet um den Kilimandscharo wieder und ab den 1880er Jahren gründete der deutsche Carl Peters hier sein privatwirtschaftliches Kolonialreich Tanganyika. Aufstände der indigenen wurden vom deutschen Militär die gesamte Kolonialzeit niedergeschlagen und führten zu rund 200.000 Toten. Im Ersten Weltkrieg gerieten zehntausende Zivilisten zwischen die Kriegsparteien bis England letztlich den Sieg errang.

In den fruchtbaren nördlichen Höhenlagen bauten deutsche Siedler ab 1902 Tee an. Sie durften ihre Farmen bis zum Zweiten Weltkrieg behalten und produzierten 1939 etwa 23 t Tee. Unter britischer Herrschaft wurde der Teeanbau in den 1950er Jahren forciert und 1960 konnten 3.800 t nach England exportiert werden. Nach der Unabhängigkeit 1964 begannen auch Kleinbauern mit der Teekultivierung.
Heute gehört Unilever zu den größten Produzenten in Tansania. Fast die gesamte Ernte wird auf Plantagen erwirtschaftet die ausländischen Firmen gehören. Die etwa 30.000 Kleinbauern produzieren etwa 30 Prozent der Jahresernte. Durch Revitalisierung von alten Farmen, Modernisierung der Produktion und Fortbildung der Kleinbauern soll der Ertrag im nächsten Jahrzehnt um 50 Prozent steigen. Zurzeit liegt die Anbaufläche bei gut 20.000 ha.

Burundi

Die ersten Europäer bereisten Burundi auf der Suche nach den Quellen des Nils in den 1860er Jahren. Aber weder damals, noch 25 Jahre später als Burundi dem Deutschen Reich zugeschlagen worden war, stieß das Land auf koloniales Interesse. Die Deutschen regierten das Land mit Hilfe der lokalen Adeligen. Durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde das heutige Burundi Belgien zugeteilt und 1962 in die Unabhängigkeit entlassen. Der Jahrzehnte andauernde ethnopolitische Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi belastet nach wie vor die Gesellschaft.

Wie in seinen Nachbarstaaten wurde in Burundi von der Kolonialregierung  Tee als Exportprodukt (1931) eingeführt aber von den Belgiern kaum entwickelt. Erst nach der Unabhängigkeit konnten Plantagen und Fabriken gegründet werden. Heute sind etwa 13.000 ha unter Tee und rund 40.000 t werden produziert. Etwa 95 Prozent werden exportiert. Der Großteil wird von 50.000 Kleinbauern hergestellt, während nur 20 Prozent auf Plantagen wächst. Hinter Kaffee ist Tee das wichtigste Exportgut. Dank guter Böden und klimatischer Bedingungen kann Burundi Spitzentees herstellen, jedoch sorgen die Klimakatastrophe und Bürgerkriege immer wieder für eine stark schwankende Produktion.

Uganda

Europäer entdeckten das Land erst im Laufe der christlichen Missionierung in den 1860er Jahren. Wirtschaftliche, religiöse und politische Interessengruppen aus Europa nutzten in den nächsten Dekaden ihre überlegene Waffentechnik um die Gesellschaft zu destabilisieren. Überdies schwächten Europäer durch das Einschleppen von Rinderpest, der Schlafkrankheit und den Pocken die lokale Bevölkerung zusätzlich. 1893 deklarierte England das heutige Uganda (Unabhängigkeit 1962) zu seinem Besitz und etablierte den Anbau von Baumwolle, Kaffee und Tee. Die Ersetzung der traditionellen Anbaugüter durch exportorientierte Monokulturen führte zu mehreren Hungersnöten mit etwa 800.000 Opfern.

Wirtschaftliche Bedeutung erlangte der Teeanbau erst nach dem Zweiten Weltkrieg, da England Indien als kolonialen Lieferanten verloren hatte und die Produktion in den restlichen Anbaugebieten nun forcierte. Die Kultivierung auf großen Plantagen wurde erst Ende der 1960er Jahre Kleinbauern im westlichen Landesteil ergänzt. Diese konnten an vier Fabriken der „Uganda Tea Growers Corporation“ ihre Ernten verkaufen. Durch politische Unruhen fiel die Produktion in den 1970er Jahren um 95 Prozent auf etwa 1.500 t. Erst Anfang der 1990er Jahre wurden Felder und Fabriken durch den Staat und ausländische Hilfsgelder revitalisiert. Hinter Kaffee und Fisch ist Tee heute das wichtigste agrarische Exportprodukt. Mittlerweile werden rund 44.000 ha kultiviert, sodass eine Jahresproduktion von 60.000 t erreicht wird. Im Vergleich zu den großen Plantagen erwirtschaften die 70.000 Kleinbauern nur ein Drittel der Produktion. 

Kenia – Englands letzte Teebastion

Bereits im 15. Jahrhundert kämpften Portugiesen einer arabischen Handelsgesellschaft die Küstenregion um das heutige Mombasa ab. Als sie wiederum 1730 von muslimischen Streitkräften besiegt wurden, hatte Portugal kein Interesse mehr am alten Gewürzhandel und benötigte zu dessen Kontrolle auch Mombasa nicht mehr. Die europäische Unterwerfung des kenianischen Binnenlandes erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und 1895 wurde das Gebiet britische Kolonie. Obwohl sich das zerfallene britische Weltreich verzweifelt versuchte in Kenia an der Macht zu halten und zehntausende Indigene während der Mau-Mau Rebellion tötete, gelang es Kenia 1963 die Unabhängigkeit auszurufen.

Dank seiner Lage am Äquator, vulkanischer Böden und der Höhenlage kann Kenia das ganze Jahr über Tee produzieren, wodurch eine günstige Massenproduktion möglich ist. Die ersten Teepflanzen wurden hier 1903 angebaut. Diese Pflanzen stehen noch heute im Teegarten Limuru. Der Plantagenbetrieb startete nach dem Ersten Weltkrieg in den fruchtbaren Hochland-Gebieten nördlich von Nairobi und östlich des Victoriasees. Hierfür wurden etwa 40.000 ha Land verstaatlicht. Wie so oft in der Geschichte des englischen Teeanbaus war auch hier ein Schotte Vorreiter: Arnold Butler McDonell (1872-1970) etablierte in der Nähe von Limuru die erste Teeplantage. Je erfolgreicher der Teeanbau voranschritt, desto mehr Land wurde den Indigenen geraubt. Tausende englische Siedler wurden im Heimatland in großen Werbeaktionen angeworben und vor Ort mit bestem Ackerland versorgt. Widerständige Indigene wurden in lebensfeindliche Gegenden getrieben um eine hohe Mortalität zu erreichen. Bis in die 1950er Jahre mussten die ehemaligen Kleinbauern als Zwangsarbeiter tätig sein und durften zuvor selbst keinen Tee anbauen.

Während im Jahr der Unabhängigkeit etwa 18.000 t Tee hergestellt wurden, ist Kenia aktuell mit rund 450.000 t der drittgrößte Teeproduzent der Welt hinter China und Indien. Da vor Ort aber kaum Tee getrunken wird, ist es der größte Exporteur mit England und Pakistan als wichtigste Abnehmer. Tee erwirtschaftet etwa 25 Prozent der Devisen und gibt fast 650.000 Teebauern auf 150.000 ha Arbeit. Die „Kenya Tea Development Agency“ (KTDA) organisiert diese Kleinbauern und ist damit für rund 60 Prozent der Produktion verantwortlich. Aufgrund der zunehmenden Dürreperioden wechseln in Zeiten der Klimakatastrophe Kleinbauern vermehrt zu sicheren Anbauprodukten wie Ananas. Überdies versucht man weiterhin das geraubte Land, auf denen die europäischen Plantagen noch heute stehen, zurückzufordern.

Malawi – Afrikas erstes Teeland

Christliche Missionare entdeckten das heutige Malawi in den 1850er Jahren und empfahlen eine landwirtschaftliche Kolonisierung durch Europa. Hier erprobte ab 1878 der schottische Missionar John Duncan den Anbau von Kaffee, Wein, Tabak und Tee. Damit war Malawi das erste afrikanische Gebiet für Teeanbau. Nachdem auf Sri Lanka ein Pilz die Kaffeemonokultur zerstörte, siedelten dutzende Pflanzer hierhin. Als sie mit Tabak, Kaffee und Tee immer mehr Profit für England erwirtschafteten, entriss man den indigenen Ethnien ihr Land und erklärte es 1891 zum britischen Protektorat Nyasaland. Da Agrarland nun günstig gekauft werden konnte, migrierten tausende Briten in diese fruchtbare Region. Die Indigenen wurden in die Minen des südlichen Afrikas als Zwangsarbeiter verschleppt.
Um 1900 produzierte das Land etwa 1.000 t Kaffee. Insekten, Pilze und das aufstrebende Brasilien disruptierten die Industrie jedoch, sodass Teeanbau mehr Profit versprach. Durch den Ausbau von Straßen und Infrastruktur konnten kurz nach dem Ersten Weltkrieg neue Teegärten öffnen und 1920 wurden 900 t Tee nach London exportiert. In den 1930er Jahren fiel der Tabakpreis, sodass auch aus dieser Branche einige Plantagen zu Tee wechselten. Ein plötzlicher Preiseinbruch 1952 vernichtete die Existenz vieler kolonialer Kleinbauern und große englische Firmen kauften die Ländereien auf. Zum Zeitpunkt der Dekolonisierung 1964 waren rund 20.000 ha mit einem Ertrag von 30.000 t unter Tee.
Malawi, gebeutelt von den Bürgerkriegen der Nachbarstaaten und der Klimakatastrophe, gehört heute zu den ärmsten Länder weltweit. Mit einer Jahresproduktion von etwa 50.000 t ist es hinter Kenia der zweitgrößte Teeproduzent Afrikas. Da es der Industrie gelungen ist starke Gewerkschaften zu unterdrücken, herrscht vor Ort ein niedriges Lohnniveau. Von den 21 Teefabriken gehören 16 englischen Firmen. Rund 90 Prozent der Produktion findet in den großen Plantagen mit ca. 50.000 Arbeitern statt. Die 15.000 Kleinbauern wirtschaften auf kleinen Feldern mit schlechteren Böden. Die Tee-Industrie ist hinter der Tabakwirtschaft der zweitgrößte Arbeitgeber und Devisenbeschaffer Malawis. Die zukünftigen Herausforderungen liegen in der gerechten Bezahlung der Arbeiter, den Unregelmäßigkeiten des Klimas und dem Alter der Teepflanzen. Diesen versucht man durch neue Maschinen, Kultivare, Bewässerungssysteme, Wiederaufforstung,  Diversifikation der Produktion und besserer Bezahlung sowie Fortbildung der Kleinbauern zu begegnen.

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