Obwohl Chai heute in all seinen Formen das beliebteste indische Nationalgetränk ist, hat es seine Wurzeln in der fremdbestimmten Ära des Kolonialregimes. Während der brutalen Etablierung der indischen Teeindustrie durch England war es nicht vorgesehen, dass dieses Luxusgetränk von Indern selbst getrunken wurde. Auch gab es vor der englischen Okkupation außerhalb der Adelsklasse keine Gewohnheit Tee zu trinken. Erst in den Jahren der Weltwirtschaftskrise um 1930 versuchte England seiner Kolonie das Teetrinken beizubringen. Die produzierten Teemassen, die in westlichen Ländern keine Käufer mehr fanden, sollten jetzt in Indien abgesetzt werden. Hierbei orientierte man sich an Methoden der christlichen Missionare. Tee galt als Zivilisationsgetränk das den angeblich faulen und dreckigen Indern Reinheit und Fleiß offenbaren sollte. An jeder Straßenecke und den Bahnhöfen gab es Teestände für „richtigen britischen Tee“. Diese Versuche misslangen weil Ghandi und andere Freiheitskämpfer gegen Tee agitierten. Unzählige Inder starben für die Profite der englischen Teeindustrie und Tee galt als ausländische Droge. Ferner wurden viele Krankheiten propagandistisch auf Teekonsum gemünzt.
Nach der Unabhängigkeit 1949 versuchte die nationalisierte Teeindustrie, die ein wichtiger Devisenaggregator des Landes war, ihre Mitmenschen für Tee zu begeistern, was aber aufgrund der hohen Preise und des schlechten kolonialen Nachhalls wenig erfolgreich war. Nur in Mumbai entstand durch iranische Migranten eine Teekultur nach persischen Vorbild: ohne Milch aber mit viel Zucker. Schnell wurde aber die englische Vorliebe für Milch in der ehemaligen Kolonie in die Tasse integriert. Erst mit den günstigen und sehr kräftigen CTC-Tees der 1960er und 1970er Jahre und einer Generation die nicht unter englischer Herrschaft aufwuchs, konnte sich Tee durchsetzen. Dank der CTC-Tees konnten sich nun auch Ärmere einen starken „reiche Leute Tee“ leisten, der sich früher durch hohe Blattmasse pro Tasse auszeichnete. In den 1980er Jahren setzten sich die verpackten Tees der Supermärkte gegen die losen Tees der kleinen Händler durch.
Im ländlichen Nord- und Ostindien trinkt man eher zu Hause seinen Tee, während man im urbanisierten Süd-Westen oft an einem Stand oder Arbeitsplatz seinen Tee trinkt. Mit der Verbreitung von Werbung in digitalen Medien gelingt es der Industrie immer besser den Menschen vor Ort einzureden wie sich ein moderner Inder ernähren sollte. Verschiedene Tees werden mit gesundheitlichen oder Lifestyle Vorteilen beworben. Viele Marken versuchen sich vom einfachen Chai des armen Arbeiters abzusetzen und ihren Kunden eine möglichst exklusive Vorstellung von Geschmack zu verkaufen. Der Pro-Kopf-Konsum liegt bei etwa 800g pro Jahr und damit weit unter den ostfriesischen 3kg.