Ostfriesische Teezeremonie – Abwarten und Teetrinken?


Neben dem echten Ostfriesentee gibt es zwei weitere wichtige Zutaten zu einer ostfriesischen Teezeremonie: Zeit und Porzellan. Während der Teezeit, den traditionellen  Elf- und Dreiührtjes, lassen wir Ostfriesen uns nur ungerne durch alltägliche Dinge stören.
Porzellan kam, genau wie Tee, über niederländische Händler im 17. Jahrhundert aus China nach Ostfriesland. Häufig war das Porzellan mit den damals in China modischen Blumenmustern verziert und wurde meist lose in den Teekisten transportiert. Es war in Europa noch weitestgehend unbekannt und erfreute sich schnell hoher Beliebtheit.

Die Kunsthandwerker in Ostfriesland erfanden mit der Zeit immer filigraneres Zubehör wie silberne Zuckerzangen oder Sahnelöffel für die ritualisierte Teezeremonie. So konnte man erst elegant den kleinen Klumpen Zucker (Kluntje) in die Tasse legen, dann den Tee neben den Kluntje in die Tasse gießen und schlussendlich mit dem gebogenen Löffel die Sahne gegen den Uhrzeigersinn an den Tassenrand geben und durch diese Wolke (Wulkje) der Tasse ihre Krone aufsetzen.

Lokale Künstler bemühten sich immer wieder das Porzellan mit ihren eigenen Motiven zu verzieren. Aber weder deren Kreativität noch die kommenden Jahrhunderte änderten etwas an der noch immer großen Beliebtheit der Ostfriesenrose. Sie ist keine spezielle Rosenzüchtung von uns Ostfriesen, sondern ein Motiv, das um 1800 die Porzellanmanufaktur Wallendorf aus Thüringen bei uns zu verkaufen begann. 

Ostfriesen und ihr Tee – Eine 400 Jahre alte Liebesgeschichte

Tee erreichte uns in Ostfriesland über die Niederlande. Sie waren im 17. Jahrhundert die mächtigste Seefahrernation der Welt. Mit ihrer „Vereinigten Ostindischen Handelskompanie“ dominierten Niederländer um 1600 den Handel in Asien und den Import asiatischer Luxuswaren wie Gewürze, Seide und Tee nach Europa. Nachdem wir durch unsere niederländischen Nachbarn Tee kennenlernten, versorgten uns besonders im 19. Jahrhundert die Briten mit Tee. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts tranken wir vor allem grüne Tees aus China. Erst mit dem Anbau von Tee in Indien durch die Briten gab es schwarzen Tee. Hiermit ersetzen Briten die chinesischen Tees in Ostfriesland und wir wurden zu einem Land von Schwarztee-Trinkern.

Der Teegenuss ist auch noch im 21. Jahrhundert wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens und wird während der sogenannten Teetied zelebriert. Getrunken wird eine kräftige Mischung bestehend aus mehreren Schwarzteesorten, mit kupferroter Farbe und herb-aromatischem Geschmack – der berühmte Ostfriesentee. Früher konnte man durch die dunkle Tassenfarbe die Wertschätzung, die einem als Gast entgegengebracht wurde, ablesen. Je kräftiger der Tee war, desto mehr Blattmasse wurde von der Hausfrau verwendet. Tee war ein absolutes Luxusgut und eine starke Tasse Tee konnte schon die Haushaltskasse belasten. Mit dem Aufkommen der „britischen“ Schwarztees aus Indien war es dann wesentlich günstiger eine dunkle Farbe in die Teetasse zu zaubern. Dieser sogenannte Besuchstee hat sich bis heute gehalten.

Mit dem viktorianischen Zeitalter etablierte sich das gemeinsame Trinken einer Tasse Tee zu Hause. Zuvor war es nur Männern vorbehalten in einem Kaffeehaus bei der Zeitungslektüre ein Heißgetränk wie Tee zu genießen. Bevor man Tee am heimischen Tisch trank, war es beliebt, sich in öffentlichen Gärten zu treffen oder einen Tanztee zu veranstalten.

Zu einer echten ostfriesischen Teezeremonie gehört neben der wohltuenden Ostfriesenmischung auch die richtige Zubereitung. Der Tee wird nicht gerührt, sondern in drei Schichten aus Sahne („Wulkje“), Tee und Kandiszucker („Kluntje“) getrunken. Wird der Teelöffel in die Tasse gelegt, weiß der Gastgeber, dass kein weiterer Tee gewünscht ist. Das gemeinsame Trinken einer Tasse Tee ist bis heute gelebtes Kulturgut und Ausdruck ostfriesischer Gastfreundschaft. Seit 2016 ist die Ostfriesische Teekultur ein von der UNESCO anerkanntes immaterielles Kulturerbe.

Coolies und Assam-Tee

Das nord-ost-indische Assam war durch Rebellionen und Kriege mit Burma bereits vor der britischen Eroberung politisch und wirtschaftlich geschwächt. Als Briten entdeckten dort Teeanbauen zu können wurde Assam erobert und neue Teepflanzen und Bauern aus China nach Assam transportiert. Alle Indigene, die sich weigerten Arbeitskraft und Land den Briten zur Verfügung zu stellen, wurden vertrieben oder getötet. Damit hatten die Teepflanzer von Beginn an zu wenige Arbeiter*innen zur Verfügung. Folglich wurden knapp vier Millionen Inder bis zum Zweiten Weltkrieg nach Assam deportiert. Mehr als 500.000 überlebten ihr erstes Jahr in Assam nicht. Harte Arbeit und Strafen, schlechte Ernährung, Hygiene und Gesundheitsversorgung führte zu diesem Massensterben. Unzählige versuchten aus der Zwangsarbeit zu fliehen und viele Schwangere töteten sich lieber selbst anstatt ein Kind in die Plantagenwelt zu gebären. Während der gesamten Kolonialherrschaft in Assam hatte die Arbeiterschaft eine negative Reproduktionsrate, sodass kontinuirlich Zwangsarbeiter herangeschafft werden mussten. Selbst Beschwerden der bengalischen Behörden, dass man nur noch Fanggrund für Menschenhändler aus Assam sei, änderten nichts an den Beschaffungsmethoden für Teepflücker. Männer, Frauen und Kinder arbeiteten vom fünften Lebensjahr bis zum Tod auf den Plantagen. Sie mussten selbst für die Kosten ihres Transports nach Assam aufkommen. Ferner leisteten sie Abgaben für Saatgut, Lebensmittel, Unterkunft, Heirat und Geburten. So stürzten Generationen von ihnen in Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit. Für Briten waren sie keine Mitmenschen, sondern “Coolies”. Man sah in ihnen eine faule, widerspenstige Rasse die nur knapp über Tieren stand. Sie hatten weder Zugang zu einer Gerichtsbarkeit, noch Informationen zu ihren Arbeitsverträgen oder Rechten. Die Isolation von Assam und den entlegenen Teeplantagen erlaubte es den Pflanzern allein über Leben und Tod zu bestimmen. Wenn exzessive Gewalttaten der Pflanzer publik wurden, galten sie als Einzelfälle. Die breite Öffentlichkeit akzeptierte die Gewaltherrschaft, da man die “Coolies” unbedingt benötigte um in England seinen Tee günstig genießen zu können – auch wenn es millionenfaches Leid und hunderttausende Tote forderte.
Die Kolonialbehörden hatten viel Geld in die Beginne der Teeindustrie investiert und hatten nur Interesse an den Profiten der Plantagen und nicht dem Wohlergehen der Arbeiterschaft. Selten waren Beamte von der schrecklichen Lebenswelt der “Coolies” verschreckt und versuchten Verbesserungen durchzusetzen. In der Regel gelang es der Pflanzerlobby aber diese unliebsamen Kontrolleure versetzten zu lassen. Letzlich stellten diese Beamten, die sich beispielsweise irritiert darüber zeigten, dass man Frauen durch Auspeitschung zur Abtreibung brachte, eine Gefahr für die Produktion von günstigen Tee dar.
Erst mit dem Aufkommen der indischen Unabhängikeitsbewegung in den 1920er Jahren gab es Verbesserungen. Aber selbst indische Nationalisten ließen die “Coolies” nach der erreichten Unabhängig fallen und schlugen sich auf die Seite der Pflanzer, um den wirtschaftlichen Erflog des neuen Staats nicht zu gefährden. In Wirklichkeit bildeten die “Coolies” eine sozial, kulturell und religiös stark heterogene Gesellschaft und es gelang ihnen ihre differenten Identitäten zu erhalten. Freilich befeuerten Briten Unterschiede und Konfklite innerhalb der “Coolies”. So verhinderten sie Allianzen innerhalb der Plantagenbevölkerung und sicherten ihre Herrschaft ab.

Die ersten Teejahre in Darjeeling, Doars und Terai

Seit Mitte des 19. Jhs. vergab die englische Verwaltung sogenanntes „Wasteland/Brachland“ für private agrarische Unternehmungen. Angebaut wurden Cash Crops wie Tee, Kaffee, Chinarinde, Apfel und Erdbeeren. Die Plantagen waren an der Peripherie des kolonialen Staates und galten als Enklaven kolonialistischer Traditionen.
In Sibsagar/Assam wurde der erste britische Teegarten aufgebaut. 1840 wurde der Versuchsgarten an die Aktiengesellschaft Assam Tea Company verkauft. Das Wort Teegarten steht hier für eine bewusste Romantisierung des angeblichen Kampfes der zivilisierten Teekultur gegen die wilde Natur. Neben originären Unternehmern waren viele aus dem kolonialen Dienst pensionierte Männer Leiter von Teeplantagen. Sie hatten einen medizinischen, militärischen oder Verwaltungshintergrund. Obwohl 1858 das Auktionieren des Lands von Darjeeling an Agrarunternehmungen begann, musste erst 1898 der Pächter nachweisen, dass er das „Brachland“ auch entwickeln konnte. Oft wurde somit einfach Land vom Staat gekauft, nur um es wenige Jahre später wieder teurer weiterzuverkaufen. Die vom Staat intendierte agrarische Kultivierung des Landes fand oft nicht statt. Bis in die Anfänge des 20. Jh. musste man 15 Prozent des Landes mit Tee bepflanzen und nur hierfür zahlte man Pacht. Für 100 ha Land mussten somit nur 15 ha bezahlt werden. Die umliegenden Wälder wurden in Teekisten und Feuerholz verwandelt. Neben Tee wurden in Doars besonders Senf, Reis, Jute und Tabak angebaut. Die Organisation der Arbeit hier war eher kleinbäuerlich als mit großen Plantagen. Arbeiter der Darjeeling-Plantagen waren meist Wanderarbeiter aus Nepal, die die Plantagen außerhalb der Saison nicht bewohnten. Dies war für die Besitzer günstiger als aus Süd-Indien Zwangsarbeiter ranzuschaffen. Dass viele Arbeiter nur zeitweise auf der Plantage arbeiteten und die restliche Zeit in Subsistenzwirtschaft in der Nähe lebten, war für die Doars Pflanzer ein moralischer Vorteil, da sie ja nicht auf Zwangsarbeit wie in Assam setzten. Aufgrund dieser offiziellen freien Arbeit war es in Darjeeling, Doars und Terai auf Seiten der Regierung nicht nötig im 20. Jh. gegen Zwangsarbeit vorzugehen. Ebenso gab es kaum Informationen oder Statistiken über diese Arbeiterschaft. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jh.s, indem viele Teeplantagen etabliert wurden, verdoppelte sich die Bevölkerung in diesen drei Regionen. Arbeiter wurde auch in verschiedenen Siedlungen untergebracht damit sich Krankheiten nicht so ausbreiten konnten und es keine Absprachen für mögliche Arbeitswiderstände gab.
Während es für die Europäer vor Ort bald Krankenhäuser geben sollte, war für die Einheimischen nur eine simple Notversorgung vorgesehen. Aber selbst Europäer hatten bis in die 1930er Schwierigkeiten eine adäquate Versorgung zu erhalten. Einige europäische Ärzte gehörten auch zur Kategorie „young fellows who could not get into the right thing at home“ und damit gab es hohe Bedenken hinsichtlich ihrer Qualifikation. Weiße Ärzte wurden nur aktiv wenn Epidemien und damit erhebliche Gewinneinbußen drohten.  Während in Darjeeling das Klima eher gesünder war, erlitten die europäisch gekleideten Engländer in Doars und Terai viele Tropenkrankheiten. Dies war aber ein wichtiger Teil ihrer Erzählung vom harten Pionier in der indischen Wildnis. Die Sterblichkeit war ihrem Heroismus immanent.
1881 erhielt mit der Jalpaiguri Tea Company die erste indische Firma einen Teegarten Namens Mogalkata Tea Estate mit einer Größe von 300 ha. Bis zur Unabhängigkeit gelang es indischen Unternehmen einen Anteil von knapp 20 Prozent in der Teeindustrie zu erreichen. Die indischen Pflanzer wurden nicht in die weißen Interessensvertretungen aufgenommen, kooperierten wenn nötig aber mit ihnen. Das Plantagenwesen veränderte aufgrund des Imports von Arbeitern nachhaltig die Demografie der nördlichen Regionen.

Die Entstehung von Tee in Assam

Im Februar 1834, nach dem Handelsmonopolverlust mit China, gründete die EIC eine Kommission um die Böden und das Klima in Indien auf möglichen Teeanbau zu prüfen. Ferner wurde überlegt wie man chin. Teepflanzen importiert. Generell wurde zwischen den „wilden“ Pflanzen in Assam und den „edlen“ aus China unterschieden. Was hiervon für guten indischen Tee geeignet war, konstituierte einen jahrzehntelangen Streit der Botaniker. Die Entwicklung in Assam, von der ersten Entdeckung der Teepflanzen über die Hindernisse auf dem Weg zu einer Teeindustrie, wurde in England tagesaktuell verfolgt. Bereits 1839 orakelten einige Zeitungen, dass Assam-Tee das gesamte britische Empire verändern wird. Der Traum, Assam in einen großen Teegarten zu verwandeln, sollte Wirklichkeit werden. Für Indien war es ein Albtraum.
1838 veröffentlichte einer der Entdecker des Assam-Tees, Robert Bruce, wie sein „Chinaman“ Tee herstellte (An Account of Manufacture of Black Tea as Now Practised at Suddeya in Upper Assam). Der Import von chinesischen Teebauern gilt heute als das erste Beispiel für zwanghaften Wissenstransfer einer alten Zivilisation zu einer modernen Kolonie. Die chin. Facharbeiter wurde in der ersten Zeit hochbezahlt, wurden aber fast alle schnell Opfer des kolonialen Gewaltregimes oder der Singpho, die in ihnen Helfers Helfer der Briten sahen. Den Singpho (der dominierenden Ethnie in Assam) wurde Teeanbau nicht zugetraut und diese wehrten sich auch gegen die englische Okkupation. Ihr Assam-Urwald wurde vermessen und einheitlich in Plantagenland aufgeteilt. Ihre Besitzansprüche wurden ignoriert.
In den 1830er und 1840er wurden nun hunderte experimenteller Teeplantage gegründet. Neben dem rein technischen Vorgang Tee zu produzieren, musste auch erprobt werden wie es zu organisieren war, wie Land und Leute eingeteilt werden mussten und welche Arbeitsprozesse effizient waren. Das Anheuern von Tagelöhner zeigte sich als nutzlos, da man Erfahrung und Geschick brauchte um Tee zu ernten. Ohne feste Arbeiter die an die Plantage gebunden werden, war es laut Bruce nicht möglich Tee zu kultivieren. Die EIC entschloss sich, nicht jede Plantage selbst zu betreiben, sondern das Land was sie als Ihren Besitz deklarierte an private Investoren zu verkaufen. Eine Idee war auch, dass man nur die Fabriken besitzt und die Bauern selbst pflücken lässt. Dies wurde aber zugunsten einer streng regulierten Arbeiterschaft verworfen. Die in Konkurrenz zu den Singpho stehende Ethnie der Kachari war in der ersten Zeit für Arbeit auf den Plantage zu gewinnen und erhoffte sich durch die Kooperation mit den Briten ein Überleben oder gar Vorteile gegenüber den Singpho. Da die Plantagen untereinander kaum Anschluss hatten und eher weit verteilte Lichtungen im Urwald waren, mussten dortige Arbeiter selbst Nahrung anbauen. Land wurde in weitaus größerem Maße für Tee nutzbar gemacht als geerntet werden konnte, sodass in den ersten Jahren der 1850er Jahre der Mangel an Arbeiter*innen zum Hauptproblem wurde. Streiks der Kachari, die mit der Zeit immer „unwilliger“ wurden, schlugen Polizei und Militär nieder.
Um die Bevölkerung von Assam zu Plantagenarbeiter*innen zu transformieren, wurden ihnen eigenständige agrarische Tätigkeiten immer mehr versagt, sodass sie bald nur noch Geld durch Arbeit auf Plantage verdienen konnten. Da auch dies keinen zu großen Erfolg hatte, ordnete der Gouverneur an, dass man Teeplantagen wie die Zuckerfarmen in Mauritius mit Zwangsarbeitern aus der Fremde versorgen sollte. 1859 gründete Teepflanzer eine Organisation mit dem Ziel die Beschaffung von bengalischen Arbeiter*innen zu bündeln. Die importierten Bengalen kamen aus verschiedenen regionalen und sozialen Strukturen. Im Laufe der 1860er wurde das Arbeiterregiment strenger geführt und die bengalischen Fremdarbeiter wurden zu Zwangsarbeitern degradiert.

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