Genussmittel – Wie Europa den exotischen Drogen erlag

Als Genussmittel gelten Lebensmittel die nicht wegen ihres kalorischen Nährwertes verzehrt werden. Sie sind für ihre anregende Wirkung auf den Menschen bekannt. In einer Doppelfunktion dienten sie in den Ursprungskulturen auch als Heilmittel. Die klimatisch anspruchslose Tabakpflanze war auf dem amerikanischen Doppelkontinent verbreitet und wurde auf verschiedenste Arten von vielen Ethnien konsumiert. Kakao war nur bei den Azteken und Maya in Gebrauch. China bewahrte Jahrtausende lang das Geheimnis rund um Tee und Jemen hatte jahrelang das Monopol auf den Kaffeeanbau.
Für Europa waren die vier Produkte etwas völlig Neues. Weder kannte man die stimulierende Wirkung von Koffein und Nikotin noch deren Konsumformen. Viele Menschen waren anfangs vom Tabakrauch, dem bitteren Geschmack der Getränke und deren Aussehen abgestoßen. Ohne die psychoaktive Wirkung hätten Europäer sich nie bemüht die neuen Genussmittel heimisch zu kultivieren. Die europäische Expansion begann mit der Suche nach Seewegen gen Indien für den Gewürzhandel, machte eine Zwischenstation als Beschaffungsinstrument für neue Heilmittel und endete mit der Ausbeutung ganzer Kontinente für die europäische Drogensucht.
Im 17. Jahrhundert stieg das Interesse der europäischen Mediziner an den neuen Genussmitteln. Nach ersten kritischen Anmerkungen schlug sich die Mehrheit der Ärzte auf die Seite der Befürworter. Dem unbekannten Tabakrauch räumte man sogar den Status als Allheilmittel ein. Kritiker, die schwarze Lungen bei Tabakrauchern entdeckt hatten, wurden meist ignoriert. Da Tabak günstig war und in Massen importiert werden konnte, entwickelte es sich zu einem Produkt für Jedermann. Nur durch die Accessoires (Tabatièren) konnte Wohlstand ausgedrückt werden. Während Kakao lange Zeit ein Getränk der Oberschicht blieb, sickerte Tee- und Kaffeekonsum langsam in die restliche Gesellschaft. Die Verbreitung der Heißgetränke fand über zwei Kanäle parallel statt: Dem bürgerlichen Kaffeehaus und den aristokratisch-klerikalen Zirkeln. Im Zusammenspiel mit fernöstlichem Porzellan und Silberbesteck entwickelten sich die Heißgetränke zu Statussymbolen.
Auf die zunehmende Verbreitung der Genussmittel antworteten die europäischen Obrigkeiten mit widersprüchlichen Methoden: Zuerst sollten Verbote die Bevölkerung vor möglichen gesundheitlichen Schäden schützen und die Staatskasse vor abfließenden Geldmitteln. Später erkannte man den finanziellen Nutzen. Es folgte die Besteuerung von Import, Konsum und Anbau. Königliche Konzessionen für Kaffeehäuser, Tabakmanufakturen oder auch Pfeifenbäckereien mussten teuer erworben werden.

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