Vereinigten Ostindischen Handelskompanie (VOC)


Die Niederlande waren in der Frühen Neuzeit zum großen Teil ein Moorgebiet und damit ohne gute Voraussetzungen im 17. Jahrhundert zur weltweit führenden Handelsmacht aufzusteigen. Neben der Fischerei verdienten einige Personen mit dem Handel von Gewürzen ihr Geld. Man kaufte in Lissabon die Gewürze ein und verteilte sie in Europa. Mit den East Indies (gesamter Süd/Ostasiatischer Raum) durften damals nur Portugiesen handeln. Sie betrachten alle asiatischen Meere seit 1494 als ihr vom Papst und damit Gott verbrieftes Eigentum. Im Laufe des Konflikts zwischen Holland und Portugal beauftragte die VOC den Gelehrten Grotius 1609 damit eine Gegenposition zu verfassen. Sein „Mare Liberum“ erklärte die See als von Gott geschaffen und für alle Völker frei – die Grundlage für das freie Seehandelsrecht im 19. Jh.
Als Portugal 1580 von Spanien in Besitz genommen worden war, verbaten sie den Niederländern, mit denen Spanien sich im Kriegszustand befand, den Gewürzhandel. Spanien hatte durch eine geschickte Heiratspolitik seiner Habsburger Könige und den Gewinnen aus dem Sklavenhandel immer weitere Ländereien (wie Portugal und die südlichen Niederlande) unter seine Kontrolle gebracht. Aufgrund dieses Verbotes waren Holländer gezwungen nun selbst die Reise in den Indischen Ozean anzutreten. Die Gewürze waren so wertvoll und wichtig für die Selbstdarstellung der Oberschicht, dass es das finanzielle Risiko wert war ans andere Ende der Welt zu segeln.
Es war dazu pures Glück, dass sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Flut von Heringen in die Nordsee ergoss und die Fischer viel Geld verdienten. Das nun verfügbare Kapital ermöglichte es selbst große Schiffe zu bauen und diese nach Asien zu senden. Rund 10 Prozent der Schiffe und etwa 30 Prozent der Besatzung kamen jedoch nie wieder zu Hause an. Dazu gab es keine Organisation oder umfassendes Wissen wo man was wie am besten kaufen konnte.
1602 wurde dann die Vereinigte Ostindische Handelskompanie gegründet und das bisher gesammelte Wissen zentralisiert für die Planung des Kolonialhandels verwendet. Da die VOC für die Holländer derzeit die einzige Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg war, durfte sie eine eigene Armee unterhalten, eigene Gebiete besetzen, eigene Gesetze erlassen und Sklaven halten. Sie waren Kaufmannskrieger, die skrupellos Handelsrouten eroberten und Monopole anstrebten. Dabei wechselten sie zwischen Geschäft und Gewalt, wie es ihnen gerade passend erschien. In wenigen Jahren eroberten VOC-Kapitäne Dutzende portugiesische Segler und befestigte Handelsposten. Ihre wendigen Boote waren den bauchigen, hochwandigen Frachtschiffen der Portugiesen weit überlegen. Portugal war zu dem Zeitpunkt ja von Spanien besetzt. Man schadete also dem Feind Spanien dadurch, dass man ihn am verwundbaren globalen portugiesischen Handelsnetz schwächte. Die VOC war von Beginn an dazu da auf der einen Seite Krieg gegen Feinde wie Spanien zu führen und auf der anderen Seite durch Handel Profite zur Finanzierung dieses Krieges zu erwirtschaften. Ein Motto lautete: Es gibt keinen Handel ohne Krieg und keinen Krieg ohne Handel. Um all dies zu initiieren war aber erstmal ein Startkapital nötig.
Dies wurde das erste Mal in der Menschheitsgeschichte über eine Aktiengesellschaft organisiert. Jeder wohlhabende Holländer kaufte Anteile an der VOC und sie akkumulierte so ein Startkapital von umgerechnet 150 Millionen Dollar. Man bedenke, dass die Hälfte der heutigen Niederlanden damals noch immer von Spanien besetzt war und man seit Jahrzehnten einen Scharmützel-Krieg gegen die Besatzer führte. Da die 1,5 Millionen Holländer zuvor schon gemeinsam Geld für die Entwässerung und Landgewinnung ihres Staates investiert hatten, kannte sie dieses Prinzip der Anteilsscheine. Während andere europäische Handelskompanien, oftmals nur eine Handvoll Kaufleute, ein Schiff oder eine Reise finanzierten, konnte die VOC langfristig planen und jeder der tausenden Investoren hatte kaum einen finanziellen Nachteil wenn ein Schiff sank – es waren ja noch hunderte andere Schiffe auf dem Meer unterwegs. Überdies entstanden schnell Versicherungen, die das Risiko noch weiter minderten.
Übrigens konnte man nur so schnell hunderte Schiffe bauen, weil man Säge-Windmühlen besaß. Zuvor waren Windmühlen nötig um die Pumpen für die Entwässerung des Landes anzutreiben, nun wurden sie zu Sägewerken. Holz konnte so 30x schneller verarbeitet werden als es bei der europäischen Konkurrenz der Fall war.
Als Spanien von 1585-1604 mit England Krieg führte, nutzen es die Niederländer um in Indonesien Batavien zugründen und die spanischen Besatzer mithilfe englischer Truppen aus Süd-Holland zu vertreiben. In Batavien schlachtete man die lokale Bevölkerung ab und baute auf deren Land Gewürzfarmen, die nun von Sklaven bewirtschaftet wurden. Auf den Molukken wuchs das wichtigste Produkt: die Muskatnuss. Ein Gramm Muskat war mehr wert als ein Gramm Gold. Um sich im Gewürzhandel das Monopol zu sichern führte man Krieg zur See und an Land gegen Spanien/Portugal und England. Leidtragende waren immer die lokalen ethnischen Gruppen. Besonders hart traf es die Bewohner der „Gewürzinseln“. So ließ Jan Coen, einer der einflussreichsten niederländischen Generalgouverneure der East-Indies rund 15.000 Menschen auf den Inseln der Bandasee ermorden, als diese mit den Engländern handeln wollten. Noch heute gilt Jan Coen in Indonesien als die Personifizierung des Bösen. Da den Kompanien der weltweit geführte Krieg mit den Jahren zu teuer wurde, einigte man sich darauf, dass Engländer sich nach Indien zurückzogen und das holländische Gewürzmonopol anerkannten. Im Gegenzug wechselten die holländischen amerikanischen Besitzungen wie Neu Amsterdam (New York) ins englische Kolonialreich.
Aber die Holländer handelten nicht nur zwischen den East-Indies und Europa. Viel umfangreicher und heute fast vergessen war der interne Indik-Handel. Schon seit hunderten Jahren handelten die Bewohner des Indischen Ozeans miteinander. Von Ostafrika bis nach Westjapan wurden Waren, Ideologien, Technik und Religion ausgetauscht. Da per Schiff weitaus mehr und schwere Güter transportiert werden konnte als per Landhandel, war der Ozeanhandel weitaus umfangreicher als es das System „Seidenstraße“ jemals war.  Das Eintreffen der Portugiesen um 1500, die zugleich mit dem Schwert missionierten, zerrüttete dieses System. Die Niederländer wollten zuerst nur in diesem Handel ein neutraler Partner sein. Aber die systemimmanente Gier sorgte dafür, dass man alle asiatischen Konkurrenten vernichtete und ein Handelsmonopol errichtete. Niederländer transportierten also durch den gesamten Indik Waren und erzielten als Monopolist hohe Gewinne. Dieses Geld investierte man in die kolonialen Eroberungszüge. Damit waren die Güter, die man nach Europa sendete, nur ein kleiner Teil des gesamten Handelsvolumens der VOC. In die Heimat wurden die beliebtesten Gewürze, die schönsten Stoffe, der beste Tee und das filigranste Porzellan gesendet. Da dies schon durch den asiatischen Handel bezahlt war, war das Geld was man in Europa dafür verlangte meist zu 100 Prozent Reingewinn. Ein Grund warum sich der East-Indies Handel schon in weit vor unserer Zeitrechnung etablieren konnte waren die Monsunwinde. Sie machten die Reise durch den Indischen Ozean bis auf eine Woche genau berechenbar und damit für Händler risikoarm.

Niederländer durften überdies als einzige Europäer mit Japan handeln, da man den Japaner geholfen hatte die christliche Aufstandsbewegung mit Kanonenkraft auszumerzen. Die VOC besaß also im East-Indies Handel und dem Austausch mit Europa das Monopol. Gewinne von gut 1500 Prozent waren keine Seltenheit.
Bis 1648 (Unabhängigkeit) wurde damit der Krieg gegen Spanien finanziert. Danach ging das Geld in die Gewinnung von Land. Deiche und Kanäle wurden angelegt, damit der Sumpf trockengelegt werden konnte und die entstehenden Städte vor Fluten geschützt waren. (Gott erschuf die Welt, aber Holland erschufen die Niederländer). Dann investierte man in die noch heute Amsterdam kennzeichnenden schönen Kaufmannshäuser und Kunstobjekte. Viele der nun wohlhabenden Bürger ließen sich von Malern für die Ewigkeit glanzvoll porträtieren. So erwarben die Künstler ebenso ein kleines Vermögen.
Das gesamte goldenen Zeitalter der Niederlande und die heute noch teilweise existierten Schätze an Architektur und Kunst (Reichsmuseum usw.) in Holland wurden mit dem Raub und Mord in Süd-Ost-Asien finanziert.  Immer mehr Geld stand zur Verfügung und man suchte immer neue Investitionsmöglichkeiten. Die Tulpe war das Objekt des noch heute bekanntesten Spekulationsabenteuers. Im 17. Jahrhundert gehörte es für reiche Bürger zum guten Ton einige Tulpen im Garten zu haben oder bei festlichen Anlässen sein Haus damit üppig zu schmücken. In dieses objektiv wertlose Statussymbol wurde immer mehr Geld investiert, da man immer seltenere Arten, Farben und Formen der Tulpe sein eigen nennen wollte. Eine Zwiebel konnte 20 Jahresgehälter eines Handwerkers kosten. Es wurden aber nicht nur reale Tulpenzwiebeln ver- und gekauft, sondern oft nur die Option auf eine zukünftige nach einem bestimmten Muster blühende Tulpe. Tausende Menschen wurden von einer Art Tulpenmanie erfasst und als der Markt 1637 implodierte, da Gerüchte einer Überproduktion die Runde machten, verloren einige Hundert Menschen ihren Besitz. Grundsätzlich hatte diese Spekulationsblase aber keine großen Auswirkungen, da im Vergleich zur Gesamtbevölkerung nur wenige Menschen involviert waren. Da aber die religiöse Propaganda gegen den Spekulationshandel im Anschluss an diese Zeit lange nachwirkte, ist noch heute vielen die Tulpenmanie als erster Börsencrash bekannt.
Auf ihrem Höhepunkt war die VOC übrigens rund 7,9 Trillionen Dollar wert. Also 300 Prozent mehr als heute (2018) Google, Microsoft und Apple zusammen wert sind. Die VOC gilt allgemeinhin als Pionier der kapitalistischen Ausbeutung von Menschen und Böden und der leistungsfähigen Organisation einer Aktiengesellschaft. Mit 17.000 Angestellten arbeiteten fast 0,1 Prozent der Weltbevölkerung für die VOC. Dazu finanzierte man Entdeckungsreisen. So war es der Niederländer Tasman der 1652 südlich der üblichen Routen zwei Landmassen die als Neu-Holland und Neu-Seeland bezeichnet wurden (Australien, Neuseeland) entdeckte.
In den 200 Jahren der VOC Existenz hatte sie insgesamt 1500 Schiffe im Asienhandel eingesetzt die auf fast 5.000 Reisen knapp 1 Million Menschen nach Asien sendeten. Von diesen kehrte nur etwa jeder Dritte zurück. Die anderen starben während der achtmonatigen Überfahrt oder während ihres Aufenthalts in den Tropen. Viele Überlebende veröffentlichten Reiseberichte, wodurch die VOC dermaßen in Verruf geriet, dass die Direktoren allen Bediensteten befahlen, Reisetagebücher nach der Ankunft abzuliefern. Es gab aber in Europa viele Menschen die aufgrund ihrer Armut, der Unterdrückung durch Adelige oder aus Flucht vor den Opfern ihrer kriminellen Machenschaften schnellstmöglich den Kontinent verlassen wollten. Sie waren das Rückgrat der VOC-Mannschaften.  Besser gestellte Mitarbeiter konnten Versicherungen für den Verlust von Körperteilen abschließen – was zeigt, dass allen bekannt war wie risikovoll die Seereise war.
Ein großes Problem der VOC war Korruption. Befehle aus Amsterdam kamen gut sechs Monate nach Absendung in Batavien an. Zu kontrollieren wer wie wo agierte, schien unmöglich zu sein. So herrschte innerhalb der Kompanie eine Selbstbedienungsmentalität, die das Mutterhaus in Amsterdam einen Großteil der möglichen Gewinne gekostet haben dürfte. Die weiten Entfernungen begünstigten diese Entwicklung.
Im 18. Jahrhundert hatten Gewürze an Reiz verloren. Während um 1600 die Muskatnuss mehr wert war als ein gleichschwerer Klumpen Gold, waren die Wohlhabenden nun den Gewürzen überdrüssig geworden – schließlich konnte es sich das niedrige Volk nun auch schon leisten mit exotischen Produkten die Speisen und Getränke zu verfeinern. Das neue Modeprodukt der Reichen wurde Zucker und den hatte keine niederländische Kolonie – aber das englische Indien. Hier gab es auch Baumwolle und dies wurde immer mehr der Stoff aus dem reiche Europäer ihre Kleider geschneidert haben wollten – nicht mehr die Tierwolle der holländischen Besitzungen.
Die Engländer hatten nun mit Tee, Baumwolle und Zucker die richtigen Produkte für die reichen Käufer im Angebot und sie hatten in den letzten 100 Jahren von den Holländern das Organisationskonzept für ein Handelsweltreich übernommen und mithilfe einer größeren Flotte sich nach und nach mehr Stützpunkte, Kolonien und Handelsrouten gesichert.
1784 verloren die Niederländer (die die Franzosen in den USA unterstützten und dann die USA gegen England unterstützten) den jahrzehntelangen Seekrieg gegen England und damit Zugriff auf ihre kolonialen Stützpunkte und den Handel. 1795 wurde Holland dann von Napoleon erobert und kurz nach 1800 auch die VOC aufgelöst.

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