Warum und wo heißt Tee eigentlich seit wann Tee?

Diese Frage beschäftigt die ethnologisch forschenden Linguisten schon seit hunderten von Jahren und sie kommen der Antwort immer näher. Hier ein Überblick zum bisherigen Wissensstand:
Zuvor muss jedoch angemerkt werden, dass viele Sprachen nur verbal und nicht schriftlich existierten. Hier liegen auch die Ursprünge der in China gesprochenen Sprachen. Weil Sprachen sich stetig weiterentwickeln und schon immer von anderen beeinflusst wurden, ist es bei einem Wort wie Tee, selten möglich einen direkten Weg zum heutigen Erscheinungsbild aufzuzeigen. Bis zum Wort „Tee“ ist es als eine kurvenreiche linguistische Reise. Es soll hier konkret um die veränderten sinesischen Bezeichnungen für Tee gehen, da sich auf dem heutigen chinesischen Staatsgebiet der botanische Ursprung der Teepflanze befindet. In der Sprache, die wir vereinfacht „chinesisch“ nennen, gibt es seit über 2000 Jahren eine Schriftkultur und in dieser Zeit haben sich rund 100.000 Schriftzeichen angesammelt – die anders vokalisiert auch ihre Bedeutung ändern. Nur wurde dies nirgends festgehalten.
In der botanischen Heimat der camellia sinensis gibt es neben den uns bekannten Wörtern „cha“ und „te“ auch ältere Bezeichnungen für Tee. Beides hat aber einen gemeinsamen Ursprung: Vermutlich war es das mittel-sinesische Wort „dr“. Wobei in südlicheren Regionen das –r wegfiel und das –d wie ein –t ausgesprochen wurde – woraus sich „te“ entwickelte. In nördlichen Regionen wurde aus „dr“ ein „dz“ was zu „dza“ und dann zu „cha“ transformierte.  Als Sprachgrenze diente hier der Fluss Yangtse.
Nur, wo kommt das Wort „dr“ her? Phonetische Hypothesen haben hier verschiedene Lösungswege aufgezeigt, die aber noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Es ist leider bisher nicht möglich herauszufinden, wie ein Mensch vor hunderten von Jahren einen Laut ausgesprochen hat. Somit wenden wir uns nun der Analyse der Schriftzeichen zu.
Man hat acht Schriftzeichen gefunden die mit Tee in Verbindung stehen. Heute würden man diese Zeichen als „bitter“, „Pflanze“ und „mit Dornen“ übersetzen. Mit dem Wort „tu“ meinten die Ethnien, die in der botanischen Heimat der Teepflanze wohnten, nicht immer die gleiche Pflanze. Es gab „Gras“, „Binsenwolle- oder Pflanze“, „Bitterkraut“ und halt auch „bitteres Gemüse“ als grobe Übersetzungen. Erst um das Jahr 59 v. Chr. wurde „tu“ öfter als Bezeichnung für die Teepflanze verwendet in Anlehnung an das „bittere Gemüse“.
Vergleicht man die Zeichen „tu“ und „cha“ fällt einem auf, das „cha“ nur ein einzelner senkrechter Strich fehlt. Vermutlich verlor das „tu“ um das Jahr 800 seinen Strich und wurde zu „cha“. Da „tu“ ja in etwa „bitteres Gemüse“ heißt, aber mittlerweile das Getränk nicht mehr bitter war, aufgrund des verbesserten Anbaus und der Verarbeitung, musste eine neue Bezeichnung gefunden werden – die aber dennoch leicht mit dem alten Wort zu identifizieren war.
Die Silbe „tu /cha“ wurde nun als „Blätter für ein wohlriechendes Aufgussgetränk“ übersetzt. Man geht heute davon aus, dass es die hochgebildeten Teeliebhaber einfach störte, dass sie noch immer ihr Lieblingsgetränk mit „bitteres Gemüse“ bezeichnen mussten. Sie, als die Bildungselite die auch alle schriftlichen Arbeiten erledigte, hat wohl selbst dafür gesorgt, dass ihr Lieblingsgetränk einen wortwörtlich besseren Ruf erhielt. Heute würden man sagen – ein neuer Markenname. Sie haben Tee – ganz morden formuliert – „rebranded“ – so wie aus „Raider“ dann „Twix“ wurde oder aus dem Zigarettenhersteller Phillip Morris die Lifestyle Firma Altria.
Neben der Bezeichnung von „tu/cha“ fürs Teetrinken, hat sich über die Jahrhunderte (Jahr 0 – 800) in verschiedenen Lehrbüchern für Landwirtschaft auch immer wieder die Verwendung des Schriftzeichens verändert. Interessanterweise war auch den jeweiligen Zeitgenossen nicht immer klar, was der Autor nun mit „tu“ meinte. Stark lokal begrenzte Übersetzungen der Texte verwendeten dann wiederum andere Wörter wie Baum/Pflanze/Gras/Gemüse. Das zeigt aber auch, dass bevor Lu Yu im Jahr 800 sein Buch über Tee verfasste, es noch nicht in allen chinesischen Regionen bekannt war – dieses Trinken von einem Aufguss aus Blättern einem nun als Teepflanze bekanntem Gewächs.
Nun, wo wir wissen wie sich „tu“ und „cha“ aus dem mittel-sinesischen „dr“ entwickelt haben, gehen wir noch der Frage nach, woher eigentlich die Sinesen das Wort haben. Denn dort wo Sinesen siedelten, gab es keine Teepflanze. Dort wohnten zuerst noch Ethnien der austro-asiatischen und tibeto-birmanischen Sprachgruppen.
Die Mon-Khmer sind eine Untergruppe der Austro-Asia Sprecher. In ihrem Lebensraum war Tee für Religion, Kultur, Sozialverhalten und Medizin enorm wichtig – wichtiger als bei allen anderen Menschen. Vermutlich hat sich aus einem ihrer Wörter für Tee das sinesische „dr“ gebildet. Ein grünes Blatt nannten die Mon-Khmer übrigens „la“ und noch heute heißt grüner Tee in China „lu cha“.
Da Chinesen und damit Menschen die eine sinesische Sprache sprechen die Pflanze als Erste agrarwirtschaftlich nutzen und als Handelsware exportierten, ist es nur gerecht, dass sie heute als camellia sinensis (Kamelie aus China) bezeichnet wird – auch wenn non-sinesier sie zuerst verzehrten.
Die Schriftzeichen „tu/cha“ sind also absichtlich zum Verwechseln ähnlich gewesen, nur die Aussprache hatte sich mit dem Yangtse als Grenze stark verändert. Europäer haben dann diese Phonetik oft akustisch falsch verstanden und als Grundlage für ihre Bezeichnungen für Tee genommen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass Westeuropäer heute eine Abwandlung des Kantonese „te“, das in den südchinesischen Häfen im 17. Jahrhundert gesprochen wurde benutzen. In Osteuropa findet man häufig eine Abwandlung des spätlateinischen „Herba thee“. In den nord-asiatischen Gebieten redet man eher von „cha“, das heute noch immer im Mandarin in Gebrauch ist. Die jeweilige Bezeichnung für das Getränk oder seine Blätter reiste also mit dem Produkt mit und wurde dann in der lokalen Sprache heimisch.
In Korea und Vietnam benutzt man sowohl „ta/tra“ oder „chat“ für Tee. Ursache hierfür ist, dass sie einfach mit beiden (Kantonese/Mandarin) sprechenden Regionen handelten. „Ta“ hat sich dann zur Zeit der holländischen Kolonialherrschaft durchgesetzt, weil die Niederländer „te“ verwendeten. Da man sich heute von der Fremdherrschaft abgrenzen will, erlebt die Bezeichnung „chat“ eine Wiederkehr.
Am Ende des 20. Jh. hat sich das Wort „chai“ für Tee stark verbreitet. Es kommt aus dem Hindi-Urdu „cay“ und wurde von den Briten falsch aufgenommen und in ihren indischen Gebieten verwendet. Vor einigen Jahren bezeichnete „masala chai“ wortwörtlich einen gewürzten Tee. Heute meint man in der Regel mit „chai“ genau dies und lässt das Wort „masala“ einfach weg. In anderen – besonders afrikanischen Sprachen – wird „chai“ einfach als Bezeichnung für schwarzen Tee verwendet.
Das „cha“ und „chai“ verwandt sind, fällt jedem Betrachter auf – aber woher das „i“ kommt – ist auch heute noch nicht abschließend geklärt. Im Mandarin sind „chaye“ einfach die Teeblätter. Da „cha“ und „chai“ aber eine Silbe haben und „chaye“ zwei Silben hat, ist eine Verwandtschaft unwahrscheinlich. Ferner endeten Wörter früher in China gerne auf einem –p, somit „chayep“. Andere Forscher meinen, dass „chai“ von „zhai“ kommt, was so viel wie vegetarisches Getränk heißt. Da sowohl im tibetanischen als auch im mongolischen, die starke sinesische Einflüsse haben, diese Beziehung nicht vorhanden ist, ist der „zhai“  Ansatz sehr unwahrscheinlich.
Schaut man sich das Verbreitungsgebiet von „chai“ in der Neuzeit an, fällt einem auf, das es nur in Zentraleurasia existent war.  Da die lingua franca des Mongolenreiches – das ganz Eurasien zur Zeit unseres Mittelalters beherrschte – das Persische war, könnte man auf die Idee kommen, dass „chai“ persisch ist. In einem persischen Wörterbuch aus dem 10. Jh. gibt es sowohl „cha“ als auch „chay“. Vermutlich war in einem verbreiteten gesprochenen Dialekt ein –i Laut existent. Allgemein enden nämlich keine alt-persischen Nomen auf –i. „Cha“ kannten die Perser natürlich durch ihren Karawanenhandel mit China.
Abschließend lässt sich sagen, dass nicht nur alle Teesorten (weiß/gelb/grün/dunkel/schwarz und Oolong) sondern auch alle Wörter für Tee einen Ursprung haben: Die Teepflanze.

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